Beschlüsse über Vergütungsvereinbarungen – rechtssichere Grundlagen für Wohnungseigentümergemeinschaften
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) muss sich in vielen Fällen juristisch vertreten lassen – sei es bei Beschlussanfechtungsklagen, Streitigkeiten mit Miteigentümern oder Auseinandersetzungen mit Dritten. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Darf der Verwalter eigenständig eine Vergütungsvereinbarung mit einem Rechtsanwalt schließen? Welche Voraussetzungen müssen „Beschlüsse über Vergütungsvereinbarungen“ erfüllen? Und was sagt die aktuelle Rechtsprechung zu diesem Thema?
Dieser Fachartikel beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, klärt die Rolle der GdWE, des Verwalters und des Verwaltungsbeirats und gibt auf Grundlage aktueller Urteile praxisnahe Empfehlungen zur rechtssicheren Gestaltung von Beschlüssen über Vergütungsvereinbarungen.
1. Was sind Vergütungsvereinbarungen – und wann sind sie relevant?
Ein Rechtsanwalt erhält nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) grundsätzlich eine gesetzlich bestimmte Vergütung. Diese richtet sich u. a. nach dem Streitwert und dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. In bestimmten Fällen kann – und muss – davon jedoch abgewichen werden: durch eine Vergütungsvereinbarung.
Typische Fälle sind:
Außergerichtliche Beratung, etwa bei Vertragsprüfungen oder Beschlussvorlagen
Beratung zur Prozessvermeidung, etwa bei drohender Anfechtung eines WEG-Beschlusses
Vertretung bei Prozessen, insbesondere wenn die gesetzliche Vergütung als unzureichend erscheint oder ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem bestimmten Anwalt besteht
Für Wohnungseigentümergemeinschaften sind Vergütungsvereinbarungen häufig ein Spannungsfeld zwischen effektiver Vertretung und Kostenkontrolle. Daher kommt der Frage, ob und in welchem Umfang der Verwalter zur Vereinbarung höherer Anwaltskosten befugt ist, besondere Bedeutung zu.
2. Gesetzliche Grundlage: § 27 WEG und seine Grenzen
Seit dem Inkrafttreten des WEMoG (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz) zum 01.12.2020 ist der Umfang der Rechte und Pflichten des Verwalters in § 27 WEG neu geregelt. Der Verwalter ist berechtigt, Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung ohne besonderen Beschluss zu treffen, soweit sie unter § 27 Abs. 1 WEG fallen.
Zu den typischen Aufgaben gehört dabei u. a. die Vertretung der Gemeinschaft im Rahmen des § 9b Abs. 1 WEG. Daraus ergibt sich grundsätzlich auch die Berechtigung, einen Rechtsanwalt zu beauftragen – jedoch nur auf Grundlage der gesetzlichen Vergütung nach dem RVG.
Eine Vergütungsvereinbarung geht hingegen über die normale Verwaltungstätigkeit hinaus. Hierzu bedarf es:
einer ausdrücklichen Beschlussfassung durch die Eigentümerversammlung
oder einer vorherigen Ermächtigung durch einen General- oder Vorsorgebeschluss gemäß § 27 Abs. 2 WEG
Fehlt ein solcher Beschluss, droht die Unwirksamkeit der Vereinbarung – und im schlimmsten Fall die persönliche Haftung des Verwalters oder die Ablehnung der Kostentragung durch die Gemeinschaft.
3. Aktuelles Urteil des LG Karlsruhe – Aktenzeichen 11 S 68/22
Ein wegweisendes Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 04.09.2023 (Az. 11 S 68/22) verdeutlicht die Grenzen von Beschlüssen über Vergütungsvereinbarungen.
Sachverhalt:
In einer Eigentümerversammlung wurde beschlossen, dass der Verwalter im Falle von Beschlussanfechtungsklagen (also auf Passivseite) befugt sei, einen Anwalt auszuwählen, eine Honorarvereinbarung abzuschließen, Strategien abzustimmen und über Rechtsmittel zu entscheiden. Ein Eigentümer klagte dagegen.
Entscheidung:
Das LG Karlsruhe erklärte den Beschluss teilweise für ungültig, insbesondere insoweit, als dem Verwalter das Recht zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung übertragen wurde. Die Begründung:
Es bestehe kein Automatismus, der eine derartige Entscheidungskompetenz decke
Die Auswahl des konkreten Rechtsanwalts sei nicht delegierbar
Eine Vergütungsvereinbarung sei nicht vom Standardmaß des § 27 Abs. 1 WEG umfasst
Der Abschluss müsse von der Gemeinschaft beschlossen oder durch Einzelfallbeschluss genehmigt werden
Konsequenz:
Der Verwalter darf keine eigenständigen Honorarvereinbarungen treffen, die über das RVG hinausgehen, es sei denn, die GdWE hat ihn dazu explizit ermächtigt – und zwar nicht pauschal, sondern bezogen auf konkrete Umstände und ggf. sogar auf eine konkrete Person.
4. Weitere relevante Urteile zur Vergütungsvereinbarung
a) LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 24.01.2020, 2-13 S 21/19
Das Gericht entschied, dass die GdWE keinen Anspruch auf Ersatz der höheren Anwaltskosten hatte, die durch eine nicht beschlossene Vergütungsvereinbarung entstanden waren. Die Entscheidung zeigt: Ohne Beschluss keine Kostenerstattung.
b) AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 09.11.2021, 539 C 15/21
Das Amtsgericht erklärte eine Honorarvereinbarung mit einem bestimmten Anwalt für unwirksam, weil dieser zuvor bereits Mandate für den Verwalter persönlich übernommen hatte – ein Interessenkonflikt wurde vermutet. Wichtig ist hier die klare Trennung zwischen GdWE-Interessen und Verwalterinteressen.
c) BGH, Urteil vom 20.07.2018, V ZR 72/17
Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass bei fehlender ordnungsgemäßer Beauftragung durch Beschluss die GdWE nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Der beauftragte Anwalt muss dann unter Umständen auf seine Gebühren verzichten.
5. Beschlüsse über Vergütungsvereinbarungen – richtig formulieren
Um rechtssicher zu handeln, sollten GdWE und Verwalter Vorsorge treffen. Empfehlenswert ist ein deklaratorischer oder generalklauselartiger Beschluss im Sinne des § 27 Abs. 2 WEG:
Beispiel für einen Vorsorgebeschluss:
„Der Verwalter wird ermächtigt, für die gerichtliche oder außergerichtliche Vertretung der GdWE einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Sofern eine gesetzliche Vergütung nicht vorgesehen ist oder nicht ausreicht, darf der Verwalter nach pflichtgemäßem Ermessen eine Vergütungsvereinbarung abschließen. Voraussetzung ist die Zustimmung des Verwaltungsbeirats. Die Eigentümer sind spätestens in der nächsten Versammlung zu informieren.“
Solche Rahmenbeschlüsse sollten:
klar die Voraussetzungen für eine Vergütungsvereinbarung benennen
ggf. eine Höchstsumme oder Stundensatz definieren
die Zustimmungspflicht durch Beirat oder Vorsitzenden regeln
einen Berichtspflicht in der Eigentümerversammlung enthalten
6. Rolle des Verwaltungsbeirats
Der Verwaltungsbeirat ist laut § 29 WEG kein Kontrollorgan im engeren Sinne, kann jedoch im Rahmen der Verwaltungspraxis eine vermittelnde Rolle übernehmen. Gerade bei wirtschaftlich relevanten Entscheidungen wie Vergütungsvereinbarungen ist seine Einbindung sinnvoll.
Empfehlung:
In Beschlüsse über Vergütungsvereinbarungen sollte die Mitwirkung oder Zustimmung des Verwaltungsbeirats integriert werden.
Bei hohen Beträgen kann auch ein Vorschlagsrecht für den Beirat formuliert werden.
7. Unterschiede zwischen Aktiv- und Passivprozess
Die juristische Vertretung kann sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite notwendig sein. Der Unterschied ist entscheidend für den Beschlusstext:
Passivprozess: Die GdWE wird verklagt (z. B. durch einen Eigentümer bei einer Anfechtungsklage).
Aktivprozess: Die GdWE klagt selbst, z. B. gegen einen säumigen Eigentümer.
Für Passivprozesse ist besondere Vorsicht geboten, da hier die Anwaltswahl und Strategie oft sensibler ist. Die Rechtsprechung (siehe LG Karlsruhe) verlangt hier eine genaue Ermächtigung.
8. Vergütungsvereinbarungen bei außergerichtlicher Beratung
Für außergerichtliche Tätigkeiten wie:
Beschlussentwürfe
rechtliche Einschätzungen
Vertragsprüfungen
ist das RVG oft nicht anwendbar oder nur begrenzt (z. B. bei der Erstberatung). Eine Vergütungsvereinbarung ist hier in der Regel zwingend erforderlich.
Die GdWE gilt als Verbraucher i. S. d. § 312 BGB, sodass eine klare und transparente Honorarregelung erforderlich ist.
9. Streitwertvereinbarungen – ein Sonderfall
Streitwertvereinbarungen sind spezielle Vergütungsvereinbarungen, bei denen der Verwalter mit dem Anwalt einen vom Gerichtsstreitwert abweichenden Wert festlegt. Diese Vereinbarungen:
müssen schriftlich erfolgen
unterliegen ebenfalls den Regeln des § 27 WEG
führen oft zu höheren Kosten – daher besonders umstritten
Eine Streitwertvereinbarung ist regelmäßig nicht durch § 27 Abs. 1 WEG gedeckt und bedarf daher einer Zustimmung der Eigentümergemeinschaft.
10. Empfehlungen für die Praxis
Keine pauschalen Ermächtigungen: Eine Generalvollmacht des Verwalters zur Honorarvereinbarung mit beliebigen Anwälten ist unzulässig.
Dokumentation im Beschluss: Klare Begründung, warum ein bestimmter Anwalt oder eine bestimmte Vereinbarung notwendig ist.
Kostentransparenz: Begrenzung auf Höchststundensätze oder Pauschalen möglich.
Regelmäßige Berichterstattung in der Eigentümerversammlung.
Zustimmungspflicht des Verwaltungsbeirats aufnehmen.
Sonderregelungen bei Streitwertvereinbarungen beachten.
Fazit
„Beschlüsse über Vergütungsvereinbarungen“ sind ein sensibles Thema in der WEG-Verwaltung. Sie betreffen nicht nur Kosten, sondern auch Kompetenzgrenzen und Haftungsrisiken. Die neuere Rechtsprechung macht deutlich, dass ohne konkrete Beschlüsse weder Verwalter noch Anwälte auf eine sichere rechtliche Grundlage bauen können.
Wer als Wohnungseigentümergemeinschaft auf eine rechtssichere Beauftragung von Rechtsanwälten setzt, sollte eindeutige, gut formulierte Beschlüsse treffen – und dabei sowohl den Verwaltungsbeirat als auch die Eigentümerversammlung mit einbinden. Nur so kann vermieden werden, dass Kostenstreitigkeiten die GdWE belasten – oder der Verwalter unangenehme Haftungsfragen klären muss.
FAQ – Beschlüsse über Vergütungsvereinbarungen
Wann braucht der Verwalter einen Beschluss für eine Vergütungsvereinbarung?
Immer dann, wenn die gesetzliche Vergütung nach dem RVG überschritten oder eine außergerichtliche Beratung vereinbart wird.
Darf der Verwalter den Anwalt frei auswählen?
Nein, laut LG Karlsruhe muss die Person des Anwalts von der Eigentümerversammlung bestimmt werden, wenn eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen werden soll.
Wer haftet bei unzulässigen Vergütungsvereinbarungen?
Unter Umständen der Verwalter persönlich. Auch kann der Anwalt auf seinem Honorar sitzen bleiben, wenn der Beschluss fehlt.
Gibt es Musterbeschlüsse?
Ja. Ein guter Beschluss sollte die Höchstvergütung, Beiratszustimmung und eine Berichterstattungspflicht enthalten.
Wie kann man Streit vermeiden?
Durch transparente Kommunikation, gut vorbereitete Beschlüsse und klare Zuständigkeiten.