„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“ – Grundsätzlich muss WEG streitige Ansprüche einklagen

Ist streitig, ob einer WEG ein Rechtsanspruch zusteht, entspricht es in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, zu beschließen, einen Rechtsanwalt mit der rechtlichen Prüfung und – falls diese Erfolgsaussichten ergibt – mit der anschließenden außergerichtlichen und ggfls. gerichtlichen Geltendmachung zu mandatieren. Nur in Ausnahmefällen darf von der Rechtsverfolgung abgesehen werden. Ein Urteil des Landgerichts Koblenz gibt Anlass zur Vertiefung.

Mit Urteil vom 30. April 2018 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2 S 67/16 WEG (veröffentlicht u. a. ZMR 2018, 795 = ZWE 2018, 461) fasste das LG Koblenz an Stelle der sich weigernden Eigentümer folgenden Beschluss:

„Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, gegenüber der Verwalterin Fa. H.-GmbH Schadensersatzansprüche gegen Abschluss des Vertrages mit der Fa. T. vom 17.11.2006 geltend zu machen. Die Miteigentümerin M. wird von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt und ermächtigt, für die teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen/ außergerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche zu beauftragen.”

Die Revision wurde vom Landgericht nicht zugelassen, so dass das Urteil nach Ablauf der einmonatigen Frist für eine Nichtzulassungsbeschwerde etwa Anfang Juni 2018 rechtskräftig und der gerichtlich ersetzte Eigentümerbeschluss endgültig wirksam und durchführbar wurde.

Der Fall

Die Eigentümerversammlung vom 6. Juni 2006 beschloss den Abschluss eines Notrufsystem-Vertrages für die drei Aufzüge der Wohnanlage. Konkrete Vorgaben über Kostenrahmen und Vertragsdauer enthielt der Beschluss nicht. Der Beschluss wurde bestandskräftig. Verwalter war damals wie heute die H-GmbH.

Am 13. November 2006 schloss die H-GmbH im Namen der WEG den Notruf-Dienstvertrag mit Fa. T. für jährlich 2.975,94 Euro ab, und zwar – die exakte Laufzeit geht aus dem Urteil nicht hervor – mit einer Vertragsdauer von mindestens 10 Jahren. Vergleichsangebote holte die H-GmbH nicht ein.

Mehrere Kläger, darunter die Eigentümerin M., holten Jahre später ein Angebot der Fa. F. ein, das jährlich 1.262,34 Euro günstiger ist als die Fa. T. In einer Eigentümerversammlung beantragten die Kläger, einen Rechtsanwalt mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen die H-GmbH zu beauftragen. Der mögliche Schaden wurde mit der jährlichen Preisdifferenz für 2012-2016 (5 x 1.262,34 = 6.311,70 Euro) beziffert. Die Versammlung lehnte den Beschlussantrag ab. Die dagegen in einem Vorprozess erhobene Klage war erfolgreich: Nach gerichtlicher Beschlussersetzung durch Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 28. August 2015 ließ die WEG Schadensersatzansprüche gegen H-GmbH durch Rechtsanwalt W. gutachterlich prüfen. Das Rechtsgutachten kam zu keiner abschließenden Beurteilung und sah weiteren Aufklärungsbedarf.

In der hier streitgegenständlichen Eigentümerversammlung vom 31. Mai 2016 verlangten die Kläger die außergerichtliche und ggf. gerichtliche Geltendmachung der Schadensersatzansprüche. Die Mehrheit war dagegen und beschloss die Nichtdurchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Hinblick auf die erkennbaren tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten und das damit verbundene Prozesskostenrisiko.

Die Kläger erhoben Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage, der erstinstanzlich teilweise (Anfechtung) stattgegeben wurde. Die geforderte Beschlussersetzung wies das Amtsgericht zurück. Sowohl die Kläger als auch die Beklagten legten Berufung ein.

Die Entscheidung 

Das LG Koblenz weist die Berufung der Beklagten als unbegründet zurück und gibt auf die Berufung der Kläger hin auch der Beschlussersetzungsklage statt (Urteilstenor siehe oben).

In den Urteilsgründen wird ausgeführt, dass Wohnungseigentümer bei schlüssig dargelegten und begründeten Ansprüchen der WEG grundsätzlich verpflichtet seien, diese gerichtlich zu verfolgen, da ein Absehen hiervon der ordnungsgemäßen Verwaltung widersprechen würde. Ein Prozesskostenrisiko bestehe immer und die durch die Beklagten (Eigentümermehrheit) eingewandten Zweifel („nicht sicher feststehender, nur schwer zu beweisender und ohne weiteren Aufwand nicht abschließend bezifferbarer Schadensersatzanspruch“) ändere daran nichts. Denn die Einwände seien keine gewichtigen Gründe, die gegen eine gerichtliche Geltendmachung der schlüssig dargelegten Schadensersatzansprüche sprechen würden.

Das LG Koblenz stützt seine Argumentation auf eine Aussage des BGH in einem anderen Zusammenhang, wonach die Mehrheit trotz wichtiger Gründe, die gegen den amtierenden Verwalter sprechen, dessen Wiederbestellung beschließen darf, solange die Mehrheitsentscheidung – etwa aus reiner Bequemlichkeit – nicht objektiv unvertretbar erscheine (Rn 28 der Urteilsgründe mit Verweis auf BGH 10. Februar 2012 – V ZR 105/11).

Daher sei der von der Versammlung abgelehnte Beschluss vom Gericht nach § 21 Abs. 8 WEG zu ersetzen. Dabei sei es auch zulässig, die Prozessführung der Klägerin (Miteigentümerin M.) als Prozessstandschafter zu übertragen (Rn 34).

LG Koblenz, Urteil vom 30. April 2018, Az.: 2 S 67/16 WEG