Bauliche Veränderung am Sondereigentum: Das optische Gesamtbild im Blick behalten
§ 22 Abs. 1-3 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt bauliche Maßnahmen (bauliche Veränderungen, Modernisierung, modernisierende Instandsetzung) am gemeinschaftlichen Eigentum. Sondereigentum wird nicht umfasst. Dennoch unterliegen auch bauliche Maßnahmen am oder auf dem Sondereigentum gesetzlichen Beschränkungen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil von Ende 2016 feststellt.

Der Fall
Klägerin und Beklagter sind Mitglieder einer WEG im Taunus, die 1964 errichtet wurde. In der Gemeinschaftsordnung ist vereinbart, dass Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum im Außenbereich der Zustimmung des Verwalters bedürfen und bei wesentlichen Veränderungen zusätzlich die Zustimmung der Eigentümerversammlung einzuholen ist. Die Eigentümerversammlung beschloss eine gemeinschaftliche Dachinstandsetzung, in deren Zuge auch Form und Gestalt der gesamten Dachkonstruktion und der Attika verändert wurden. Zur Durchführung der gemeinschaftlichen Arbeiten war es auch erforderlich, den Belag, die Umgrenzung und den Dachvorbau auf dem Dachgarten des Beklagten zu entfernen. Dieser duldete die Arbeiten und ließ im Anschluss einen neuen Dachvorbau errichten, der in Form und Farbe von dem früheren Zustand abwich. Hierzu behauptet der Beklagte, die Zustimmung des Verwalters eingeholt zu haben. Eine Zustimmung der Eigentümerversammlung lag unstreitig nicht vor.

Die Entscheidung
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung in die zweite Instanz zurück. Der BGH führt aus, dass die bisher getroffenen Feststellungen nicht genügten, um der Klage stattzugeben. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht zur Beurteilung der Rechtslage auf § 22 Abs. 1 WEG zurückgegriffen. Dies sei verfehlt, weil § 22 WEG lediglich bauliche Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum regele, insbesondere Substanzeingriffe. Daran fehle es, da der Dachgarten an sich sondereigentumsfähig sei, wenn die Teilungserklärung – wie hier – ihn zum Sondereigentum erkläre. Jeder Wohnungseigentümer dürfe zwar mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, doch müsse er dabei das Gesetz und die Rechte Dritter berücksichtigen (§ 13 Abs. 1 WEG).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts dürfe bei der Beurteilung der Erheblichkeit eines Nachteils nicht nur auf das konkret veränderte Bauteil geschaut werden. Vielmehr sei ein Vorher-Nachher-Vergleich von Nöten, der das gesamte Gebäude einbeziehe. Außerdem dürfte bei der Feststellung des Gesamteindrucks des Gebäudes nicht nur auf die zeichnerischen Vorgaben im Aufteilungsplan zurückgegriffen werden. Stattdessen sei es erforderlich, auch zwischenzeitlich vorgenommene bauliche Veränderungen am Gebäude, die entweder von Sondereigentümern vorgenommen wurden oder auf gemeinschaftliche Beschlüsse zurückgehen, in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehen.

Fazit für den Beirat
Nimmt ein Sondereigentümer bauliche Maßnahmen an seinem Sondereigentum vor, die auf den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage ausstrahlen, kann sich die Notwendigkeit einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer ergeben. Der Verwalter kann gehalten sein, einen entsprechenden Beschlussantrag in die Einladung und die Tagesordnung aufzunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der bauwillige Sondereigentümer einen solchen Antrag stellt. Sieht eine Gemeinschaftsordnung eine Verwalterzustimmung für bauliche Maßnahmen vor, ist dies grundsätzlich ein zusätzliches Erfordernis zur Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer, die also zusätzlich erforderlich ist.