Versicherungsschaden in der Wohnung – Wer zahlt was? Pflichten und Irrtümer im Sondereigentum
Einleitung
Ein Versicherungsschaden in der Wohnung stellt Eigentümer oft vor große Herausforderungen. Wer haftet? Wer zahlt? Und welche Rolle spielt die Hausverwaltung dabei? Gerade wenn Schäden im Sondereigentum auftreten, ist die Verwirrung oft groß: Ist die Wohnungseigentümergemeinschaft zuständig oder doch der Einzelne? Was übernimmt die Gebäudeversicherung? Und was passiert, wenn Bewohner vorübergehend ausziehen müssen oder Miete entfällt? Dieser Beitrag klärt umfassend auf – mit rechtlicher Einordnung, Praxisbeispielen, Gerichtsurteilen und vielen FAQs.
1. Was ist ein Versicherungsschaden in der Wohnung?
Ein Versicherungsschaden liegt vor, wenn durch ein versichertes Ereignis (z. B. Leitungswasser, Sturm, Feuer) ein Sachschaden entsteht, der über eine bestehende Versicherung reguliert werden kann. Dabei ist zu unterscheiden zwischen:
- Schäden am Gebäude (z. B. Rohre, Estrich, Wände, Fenster außen)
- Schäden im Sondereigentum (z. B. Tapeten, Laminat, Küche)
- Schäden an Einrichtungsgegenständen (z. B. Möbel, Kleidung, Elektrogeräte)
Je nach Art des Schadens kommen unterschiedliche Versicherungen infrage – oder eben keine.
2. Was deckt die Gebäudeversicherung ab?
Die Wohngebäudeversicherung schützt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) gegen Schäden an den Bestandteilen des Gebäudes. Gedeckt sind in der Regel:
- Schäden durch Leitungswasser (z. B. Rohrbruch im Mauerwerk)
- Sturmschäden (z. B. abgedecktes Dach)
- Brandschäden (z. B. durch Kurzschluss in gemeinschaftlicher Elektrik)
Nicht gedeckt sind:
- Schäden am beweglichen Inventar (Hausrat)
- Schäden an baulichen Veränderungen im Sondereigentum (z. B. Einbauküche)
- Nutzungsausfälle, Mietausfall oder Hotelkosten (außer vertraglich vereinbart)
3. Sondereigentum – Verantwortung des Eigentümers
Das Sondereigentum umfasst die Räume einer Wohnung und das Zubehör, das nicht zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört. Dazu zählen:
- Innenliegende Tapeten, Anstriche, Fliesen
- Bodenbeläge wie Laminat, Parkett, Teppich
- Einbauküchen, Sanitärgegenstände, Türen innerhalb der Wohnung
Schäden in diesem Bereich sind nicht Sache der Gemeinschaft, auch wenn sie durch einen gemeinschaftlichen Defekt verursacht wurden. Die Beseitigung und Bezahlung der Schadensfolgen liegt beim einzelnen Eigentümer.
4. Rolle der Hausverwaltung – zuständig oder nicht?
Die Hausverwaltung ist die ausführende Instanz der Gemeinschaft. Sie ist verpflichtet, Schäden am Gemeinschaftseigentum zu koordinieren – nicht aber im Sondereigentum. Das bedeutet:
- Keine Beauftragung von Handwerkern für Schäden im Sondereigentum
- Keine Meldung an Versicherungen für Schäden innerhalb der Wohnung
- Keine Haftung für Versäumnisse des Eigentümers
Faktisch ist die Verwaltung häufig nur ein- bis zweimal jährlich vor Ort – etwa zur Jahresabrechnung oder Objektbegehung. Die Verantwortung für Verkehrssicherung und Schadenserkennung im Sondereigentum liegt bei den Eigentümern oder Bewohnern selbst.
5. Gerichtsurteile zur Abgrenzung der Zuständigkeit
AG München, Urteil vom 21.12.2018 – 485 C 5977/18 WEG:
Die WEG ist nicht verpflichtet, für Schäden im Sondereigentum aufzukommen, selbst wenn die Ursache im Gemeinschaftseigentum liegt.
LG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.11.2015 – 2-13 S 51/15:
Ein Eigentümer kann keine Regulierung verlangen, wenn der Schaden ausschließlich im Sondereigentum eingetreten ist.
AG München, Urteil vom 13.02.2020 – 485 C 10360/19 WEG:
Die Verwaltung muss nicht für eine Wiederherstellung des Zustands im Sondereigentum sorgen, wenn die Ursache aus der Gemeinschaft kommt, aber keine Beschädigung des Gemeinschaftseigentums vorliegt.
6. Die Rolle der Hausratversicherung
Die Hausratversicherung deckt Schäden an beweglichem Eigentum – also:
- Möbel, Kleidung, Elektronik
- Küchenutensilien, Vorräte
- Dekoration, Bücher
Zudem sind in vielen Verträgen Zusatzleistungen enthalten:
- Kosten für Hotelunterbringung
- Transport- und Lagerkosten
- Aufräum- und Reinigungskosten
Wichtig: Diese Versicherung muss jeder Eigentümer bzw. Bewohner selbst abschließen. Sie ist nicht Bestandteil der WEG-Versicherung.
7. Hotelkosten bei unbewohnbarer Wohnung
Muss ein Bewohner die Wohnung nach einem Versicherungsschaden (z. B. Wasserschaden, Brand) vorübergehend verlassen, stellen sich viele Fragen:
- Wer zahlt das Hotel?
- Gibt es einen Anspruch auf Ersatz?
Antwort: Die Gebäudeversicherung deckt keine Hotelkosten ab. Nur manche Hausratversicherungen übernehmen diese Aufwendungen – oft begrenzt auf einige Tage oder einen Maximalbetrag.
Fehlt eine solche Absicherung, müssen Eigentümer oder Mieter die Unterbringungskosten selbst tragen – es sei denn, ein Dritter hat den Schaden schuldhaft verursacht (z. B. Mieter der Nachbarwohnung).
8. Mietausfall – was Vermieter wissen sollten
Ein typisches Problem bei Versicherungsschaden Wohnung Eigentümer: Der Mieter kürzt die Miete oder zieht vorübergehend aus. Folgende Aspekte sind wichtig:
- Mietminderung ist zulässig, wenn die Wohnung unbewohnbar oder eingeschränkt nutzbar ist
- Vermieter bleibt zur Schadensbehebung verpflichtet, auch wenn der Ursprung im Gemeinschaftseigentum liegt
- Ein Ausgleich über die Gebäudeversicherung ist nicht garantiert
Nur in wenigen Fällen besteht über die Wohngebäudeversicherung ein Schutz gegen Mietausfall – und nur, wenn dieser Bestandteil des Vertrags ist. Alternativ kann eine Mietausfallversicherung abgeschlossen werden, ist aber selten in WEG-Kontexten üblich.
9. Typische Irrtümer in der Praxis
- „Die Verwaltung regelt alles.“ – Falsch. Sie ist nur für Gemeinschaftseigentum zuständig.
- „Die Gebäudeversicherung übernimmt alle Kosten.“ – Falsch. Nur bei Schäden an bestimmten Gebäudeteilen.
- „Ich darf ohne Zustimmung keine Handwerker beauftragen.“ – Falsch. Für Schäden im Sondereigentum müssen Eigentümer selbst handeln.
- „Die Versicherung zahlt den Hotelaufenthalt.“ – Falsch. Nur, wenn dies im Hausratvertrag geregelt ist.
10. Praktische Tipps für Eigentümer
- Eigene Versicherungsverträge prüfen und ggf. ergänzen
- Schaden sofort dokumentieren (Fotos, Uhrzeit, Ursache, Umfang)
- Kontakt mit eigener Hausratversicherung aufnehmen
- Verwaltung nur informieren, wenn das Gemeinschaftseigentum betroffen ist
- Bei Mietverhältnissen: Kommunikation mit dem Mieter rechtzeitig und schriftlich führen
11. FAQs
Was ist, wenn der Schaden im Sondereigentum durch ein Rohr im Gemeinschaftseigentum entstanden ist?
Die Ursache wird über die Gebäudeversicherung reguliert. Die Folgeschäden im Sondereigentum muss der Eigentümer selbst tragen.
Ich habe keinen Hausratvertrag – was nun?
Dann müssen Sie Hotel- oder Ersatzkosten aus eigener Tasche zahlen. Auch Möbelersatz erfolgt nicht.
Muss die Verwaltung nicht doch prüfen, ob ein Versicherungsschaden vorliegt?
Nein. Die Prüfung erfolgt durch die Eigentümer oder direkt durch die Versicherung. Die Verwaltung ist nur für Schäden im Gemeinschaftseigentum zuständig.
Mein Mieter kürzt die Miete – bekomme ich den Ausfall ersetzt?
Nur bei entsprechender Versicherung. Ansonsten trägt der Vermieter das Risiko.
Fazit
Ein Versicherungsschaden in der Wohnung bedeutet nicht automatisch, dass die Gemeinschaft oder die Verwaltung einspringen muss. Eigentümer sind für ihr Sondereigentum selbst verantwortlich – sowohl organisatorisch als auch finanziell. Eine klare Abgrenzung zwischen den Versicherungsarten und Pflichten hilft, unnötige Diskussionen und Kosten zu vermeiden. Eigentümer sollten deshalb ihre Hausratversicherung regelmäßig überprüfen – und sich im Zweifel rechtzeitig beraten lassen.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: Juli 2025