Verkehrssicherung: Verantwortung, Pflichten und Risiken rund ums Gebäude
Die Sicherheit auf einem Grundstück und in einem Gebäude ist kein Zufallsprodukt. Sie ist das Ergebnis einer sorgfältigen, regelmäßigen Kontrolle und Wartung. Im Mittelpunkt steht dabei ein juristischer Begriff, der sowohl in der Praxis als auch in gerichtlichen Auseinandersetzungen immer wieder eine zentrale Rolle spielt: die Verkehrssicherung.
Doch was genau ist darunter zu verstehen? Wer ist verantwortlich? Welche Pflichten treffen die einzelnen Beteiligten – von der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Hausverwaltung bis zum Mieter? Und wie häufig muss kontrolliert werden? Dieser Beitrag liefert Ihnen klare Antworten, praxisnahe Beispiele und eine umfassende Einordnung aus Sicht der Hausverwaltung.
Was bedeutet Verkehrssicherung?
Der Begriff „Verkehrssicherung“ beschreibt die rechtliche Verpflichtung, eine Gefahrenquelle so zu sichern, dass Dritte keinen Schaden erleiden. Die Pflicht ergibt sich aus dem allgemeinen Deliktsrecht (§ 823 BGB) und gilt insbesondere für Eigentümer, Betreiber und Verwalter von Grundstücken und Gebäuden.
Die Verkehrssicherungspflicht umfasst:
die Erkennung und Beseitigung von Gefahrenquellen,
regelmäßige Kontrollen,
gegebenenfalls Warnhinweise oder Sperrungen,
die Dokumentation der Maßnahmen.
Sie erstreckt sich auf alle Bereiche, in denen sich Personen berechtigterweise aufhalten – von öffentlichen Gehwegen über Gemeinschaftsflächen bis hin zu privaten Zuwegungen.
Wer ist zur Verkehrssicherung verpflichtet?
In der Praxis ist es entscheidend, wer die tatsächliche „Herrschaft“ über einen Gefahrenbereich hat. Je nach Konstellation kann die Verkehrssicherungspflicht folgende Personen oder Stellen treffen:
1. Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden
Ein Grundstückseigentümer ist grundsätzlich zur Sicherung seines Eigentums verpflichtet. Dazu zählen insbesondere:
sichere Wege und Treppen,
stabile Geländer,
funktionierende Beleuchtung,
Standfestigkeit von Bäumen,
Schneeräumung und Eisbeseitigung im Winter.
Bei Wohnungseigentumsanlagen (WEG) ist diese Pflicht zunächst Sache der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE).
2. Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE)
Die GdWE ist Trägerin der Verkehrssicherungspflicht für das Gemeinschaftseigentum. Das umfasst z. B.:
Dächer und Fassaden,
Treppenhäuser,
Zugangsbereiche,
gemeinschaftliche Wege und Zufahrten,
Tiefgaragen und Aufzüge.
Die GdWE kann diese Aufgaben – wie auch viele andere – auf die Hausverwaltung delegieren.
3. Hausverwaltung
Die Hausverwaltung übernimmt die Verkehrssicherungspflicht nicht automatisch, sondern nur im Rahmen des Verwaltervertrags und der Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft. In der Regel beschränkt sich die Pflicht auf die Organisation und Beauftragung von Fachfirmen oder Dienstleistern (z. B. Winterdienst, Baumkontrolle).
Wichtig: Eine Hausverwaltung ist typischerweise nicht täglich oder wöchentlich am Objekt. Vielmehr findet in der Regel nur ein- bis zweimal jährlich eine Objektbegehung statt, z. B. zur Jahresabrechnung, bei größeren Maßnahmen oder zur Kontrolle beauftragter Dienstleister.
Daher bleibt die unmittelbare Verantwortung für die tägliche Verkehrssicherung bei den Eigentümern oder Bewohnern vor Ort.
4. Mieter oder Bewohner
Auch Mieter und Bewohner können zur Verkehrssicherung herangezogen werden – insbesondere dann, wenn sie durch Vertrag (z. B. Mietvertrag oder Hausordnung) Pflichten übernommen haben:
Streupflicht im Winter,
Sauberhaltung von Fluren,
Sicherung eigener Balkone, Blumenkästen, Markisen.
Wer eine Gefahrenquelle schafft oder erkennt und untätig bleibt, haftet im Zweifel persönlich.
Typische Gefahrenquellen im Rahmen der Verkehrssicherung
Hier ein Überblick über typische Gefahren, bei denen die Verkehrssicherungspflicht relevant wird:
Bereich | Beispielhafte Gefahren |
---|---|
Wege, Zufahrten, Gehsteige | Glätte, Unebenheiten, lose Pflastersteine |
Dächer & Fassaden | Dachlawinen, lose Dachziegel, Putzabplatzungen |
Bäume | Astbruch, kranke oder umsturzgefährdete Bäume |
Treppen & Geländer | Lose Handläufe, unbeleuchtete Stufen, Stolperfallen |
Beleuchtung | Ausgefallene Leuchtmittel im Treppenhaus |
Spielplätze | Defekte Geräte, unzureichende Fallschutzflächen |
Tiefgaragen & Stellplätze | Ölspuren, mangelhafte Beleuchtung, defekte Tore |
Umfang und Häufigkeit der Kontrollpflichten
Die Anforderungen an Häufigkeit und Intensität der Kontrollen richten sich nach dem Gefährdungspotential. Dabei gilt:
Je größer die Gefahr, desto häufiger muss kontrolliert werden.
Eine ständige Kontrolle ist nicht erforderlich, wohl aber eine regelmäßige und dokumentierte Überprüfung.
Einige Richtwerte aus der Rechtsprechung und Praxis:
Gefahrenquelle | Kontrollintervall |
---|---|
Bäume | Jährlich (ggf. halbjährlich bei Schäden) |
Spielplätze | Wöchentlich (visuell), jährlich (technisch) |
Dach & Fassade | Alle 1–2 Jahre (nach Sturm ggf. sofort) |
Aufzüge | Nach BetrSichV, durch Sachverständige |
Beleuchtung, Wege | Nach Bedarf, mindestens monatlich |
Die Hausverwaltung organisiert in der Regel nur die grundlegenden Prüfungen, während akute Gefahren von Anwohnern vor Ort erkannt und gemeldet werden müssen.
Rechtliche Folgen bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Wer seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachkommt, haftet zivilrechtlich für Schäden (§ 823 BGB). Das kann schnell teuer werden – etwa bei:
Stürzen durch vereiste Wege,
herabfallenden Ästen oder Dachziegeln,
Verletzungen auf defekten Spielgeräten,
Wasserschäden durch verstopfte Regenrinnen.
Im Extremfall drohen auch strafrechtliche Konsequenzen (z. B. bei grober Fahrlässigkeit oder Körperverletzung).
Delegation der Pflichten: Was muss beachtet werden?
Eine wirksame Delegation (z. B. durch Hausverwaltung, Mieter oder Dienstleister) ist rechtlich zulässig, muss aber gewissen Kriterien entsprechen:
Klare Beauftragung mit schriftlicher Fixierung,
Zuverlässigkeit des Dienstleisters (z. B. Referenzen, Versicherung),
Regelmäßige Kontrolle der Ausführung,
Dokumentation aller Maßnahmen.
Die Verantwortung bleibt immer beim Eigentümer bzw. der GdWE. Nur wenn die Delegation korrekt erfolgt ist, kann eine Haftung reduziert oder ausgeschlossen werden.
Praktische Empfehlungen für Wohnungseigentümer und Bewohner
Damit die Verkehrssicherung in Ihrer Wohnanlage rechtssicher organisiert ist, empfehlen wir folgende Maßnahmen:
Verwaltervertrag auf klare Zuständigkeiten prüfen,
Objektbegehungen (jährlich) dokumentieren,
Hausordnung zur Mitwirkung der Bewohner anpassen,
Dienstleister vertraglich zur Verkehrssicherung verpflichten,
Schäden und Mängel unverzüglich melden (z. B. per E-Mail oder über unser Portal),
Hausmeisterdienste regelmäßig anleiten und überprüfen,
Fotodokumentation bei besonderen Witterungsverhältnissen.
FAQs zur Verkehrssicherung
Was ist der Unterschied zwischen Verkehrssicherungspflicht und Instandhaltungspflicht?
Die Verkehrssicherung betrifft ausschließlich die Sicherheit und Vermeidung von Gefahren. Instandhaltung meint die Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit.
Wie oft muss die Hausverwaltung das Objekt kontrollieren?
In der Regel erfolgt nur eine jährliche Objektbegehung. Die tägliche Verkehrssicherung liegt bei Bewohnern und Eigentümern vor Ort.
Haftet die Hausverwaltung bei einem Unfall?
Nur wenn sie selbst vertraglich zur Verkehrssicherung verpflichtet war und ihre Aufgaben grob vernachlässigt hat.
Was ist mit privaten Balkonen und Terrassen?
Für den Bereich des Sondereigentums ist der jeweilige Eigentümer selbst verantwortlich.
Kann man die Pflicht auf einen Hausmeister delegieren?
Ja, aber nur bei ordnungsgemäßer Auswahl, Anweisung und Kontrolle.
Wer haftet bei Sturz auf dem Gehweg vor dem Haus?
Zumeist der Grundstückseigentümer bzw. die GdWE, wenn keine wirksame Delegation erfolgt ist.
Fazit: Verkehrssicherung ist gemeinsame Verantwortung
Die Verkehrssicherung ist eine juristisch anspruchsvolle, aber essenzielle Pflicht für alle Beteiligten rund um eine Immobilie. Sie lässt sich nicht vollständig auf die Hausverwaltung abwälzen – insbesondere da diese objektiv selten vor Ort ist.
Vielmehr erfordert sie eine strukturierte Organisation, regelmäßige Kontrolle und die aktive Mitwirkung aller Beteiligten – von der GdWE über Dienstleister bis zu den Bewohnern. Nur so lassen sich Unfälle vermeiden, Haftungsrisiken minimieren und die Wohnqualität langfristig sichern.
Sie haben Fragen zur Verkehrssicherung oder möchten wissen, wie die Hausverwaltung Reiner GmbH das Thema für Ihre Wohnanlage umsetzt?
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: Juni 2025