Vereinbarung von Untergemeinschaften hängt nicht von der Bauweise ab
Untergemeinschaften spielen in der Verwalterpraxis eine große Rolle. Das Wohnungseigentumsgesetz enthält keine Regelungen. Bei der Gestaltung von Gemeinschaftsordnungen jedoch werden vielfach Untergemeinschaften vereinbart. Ziel des Ganzen: In Angelegenheiten, die ausschließlich die eigene Untergemeinschaft betreffen, sollen nur die jeweiligen Eigentümer zuständig, kostentragungspflichtig und stimmberechtigt sein. Umstritten ist, was gilt, wenn verschiedene Gebäude oder Baukörper baulich nicht voneinander getrennt errichtet wurden, sondern ganz oder teilweise verbunden sind. Hier bringt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) Klarheit.
Mit Urteil vom 12. November 2021 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 204/20 entschied der BGH, dass in der Gemeinschaftsordnung einer aus mehreren Häusern bestehenden Wohnanlage für Tiefgarage und Wohngebäude auch dann weitgehend verselbständigte Untergemeinschaften gebildet werden können, wenn die Tiefgarage baulich und statisch zugleich als Fundament der Wohngebäude dient. Folge ist, dass allein die Teileigentümer der Tiefgaragenstellplätze die Kosten für Sanierungsmaßnahmen im Bereich der Tiefgarage zu tragen haben, und zwar auch im Hinblick auf tragende Bauteile, die zugleich tragende Funktionen für ein oder mehrere Wohngebäude haben.
Der Fall
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Bezirk des Amtsgerichts Kirchheim unter Teck. Zur Anlage gehören mehrere Häuser, die teilweise mit einer vierstöckigen Tiefgarage unterbaut sind. Der Kläger ist Sondereigentümer eines Stellplatzes in der Tiefgarage mit 46/100.000stel Miteigentumsanteil (MEA). In § 2 Abs. 1 – 5 der Gemeinschaftsordnung (TE/GO) werden für die verschiedenen Baukörper „Sondernutzungsgemeinschaften“ gebildet. § 2 Abs. 6 TE/GO lautet: „Die Sondernutzungsgemeinschaften verwalten sich selbständig nach Maßgabe der TE unter ergänzender Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes. Die für die Gemeinschaft aller Eigentümer getroffenen Regelungen gelten für sie entsprechend. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Abhaltung von Sondernutzungsgemeinschaftsversammlungen (…).“ In § 13 Abs. 1 TE/GO heißt es: „Instandhaltungsrückstellungen werden jeweils für die Sondernutzungsgemeinschaften, wie in § 2 definiert, gebildet. (…).“
In der Eigentümerversammlung vom 29.4.2019 wurde eine Sanierung der Tiefgarage für rund fünf Millionen Euro beschlossen, finanziert durch eine Sonderumlage der Teileigentümer der Tiefgaragen-Untergemeinschaft, je Stellplatz 21.276,59 Euro. Abstimmen ließ der Verwalter nur die Teileigentümer. Dem Kläger gehört ein Tiefgaragenstellplatz. Eine Wohnung besitzt er nicht. Er hält den Beschluss für rechtswidrig und erhebt Anfechtungsklage. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht Stuttgart hat die Berufung der beklagten Wohnungseigentümer wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit durch Beschluss zurückgewiesen. Dagegen erhoben die Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Entscheidung
Der BGH beurteilt die Rechtslage anders als die Vorinstanzen und weist die Anfechtungsklage ab. Entgegen der Rechtsansicht von Amtsgericht und Landgericht sei der Beschluss von der erforderlichen Beschlusskompetenz getragen. In der TE/GO seien wirksam Untergemeinschaften vereinbart worden. Eine weitreichend selbständige Verwaltungs- und Kostentrennung bei Untergemeinschaften könne auch dann wirksam vereinbart werden, wenn getrennte Baukörper statisch aufeinander aufbauen, wie es bei einer Tiefgarage und darauf errichteten Wohngebäuden der Fall ist. Unerheblich sei also, dass die Tiefgarage zwar unter mehreren, nicht aber unter allen Wohngebäuden liege und somit teils das Fundament der Wohnhäuser sei.
Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Während das Wohnungseigentumsgesetz nur die Gemeinschaft kennt, wird in der Praxis sprachlich zwischen Untergemeinschaft(en) und „Gesamtgemeinschaft“ oder „Gesamteigentümergemeinschaft“ unterschieden. Auch der BGH tut das wiederholt. Hier darf man sich bei der Rechtsanwendung nicht verwirren lassen. Untergemeinschaften gibt es immer nur in ein und derselben Wohnungseigentümergemeinschaft, und zwar beschränkt auf deren Innenverhältnis. Einer Untergemeinschaft fehlt die Rechtsfähigkeit. Sie kann demnach selbst im eigenen Namen keine wirksamen Verträge abschließen und insbesondere auch keinen eigenen Verwalter oder Verwaltungsbeirat bestellen. Möglich und oftmals sinnvoll ist es hingegen, in den einheitlichen Beirat aus jeder Untergemeinschaft einen Vertreter zu entsenden.
Im hier besprochenen Fall war von „Sondernutzungsgemeinschaften“ die Rede. Bei unbefangener Auslegung nach Wortlaut und Sinn war erkennbar, dass damit Untergemeinschaften gemeint sind und die Tiefgarage einen eigenständigen Verwaltungskomplex in diesem Sinne bildete.
Fazit für die Gemeinschaft
Bilden mehrere benachbarte, rechtlich selbständige Wohnungseigentümergemeinschaften und/oder sonstige (also nicht nach dem WEG aufgeteilte) benachbarte Grundstücke eine „Gemeinschaft“ oder Gesellschaft (z.B. eine Heizungsgemeinschaft), ist das keine Untergemeinschaft, sondern in der Regel eine allgemeine zivilrechtliche Rechtsbeziehung im Außenverhältnis zwischen selbständigen Rechtsträgern.
Regelungsbedürftig bei der Vereinbarung von Untergemeinschaften sind insbesondere Zuständigkeit, Kostentragung, Kostenverteilung, Finanzierung, Stimmrecht und äußeres Erscheinungsbild (bauliche Veränderungen). In der Gestaltungspraxis gebräuchlich und aus Sicht des Rechtsanwenders wünschenswert sind Generalklauseln zu Beginn der Gemeinschaftsordnung, in denen die einzelnen Untergemeinschaften benannt werden. Das muss aber nicht zwingend so sein. Auch „versteckte Stellen“ in der Gemeinschaftsordnung sind möglich. Die Bildung von Untergemeinschaften muss klar und eindeutig vereinbart sein. Fehlt es daran, verbleibt es im Zweifel bei der gesetzlichen Ausgangslage mit der Folge, dass dann alle Eigentümer zuständig und kostentragungspflichtig sind, selbst wenn eine Maßnahme (vermeintlich) nur ein einzelnes Gebäude oder einen einzelnen Gebäudekomplex umfasst.
Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?
Auch nach der seit dem 1.12.2020 geltenden Gesetzeslage sind Untergemeinschaften bzw. Mehrhausanlagen dem Gesetzeswortlaut fremd. Ihre Schaffung setzt daher eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung voraus. Fraglich ist, ob der neue § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Einführung einer Kostentrennung zwischen verschiedenen Gebäuden bzw. Gebäudebereichen oder Eigentümergruppen im Sinne der Bildung von Untergemeinschaften ermöglicht.
Da nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/18791, Seite 56) ein Beschluss zulässig sein soll, wonach jeder Eigentümer die Kosten der Erhaltung „seiner“ Fenster selbst trägt, dürfte es ebenfalls zulässig sein, die Verteilungsgerechtigkeit dadurch zu steigern, dass mehrere Sondereigentumseinheiten eines Verwaltungskomplexes kostenmäßig eine Untergemeinschaft bilden.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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