Störender Eigentümer in der Wohnungseigentümergemeinschaft – Rechte der GdWE und der Hausverwaltung, Handlungsmöglichkeiten & Praxisbeispiele
Einleitung
In Wohnungseigentümergemeinschaften leben zahlreiche Menschen unter einem gemeinsamen rechtlichen Dach – dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Damit eine solche Gemeinschaft funktioniert, braucht es Regeln, Rücksichtnahme und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Doch was geschieht, wenn ein Eigentümer wiederholt gegen diese Prinzipien verstößt, die Gemeinschaft belastet, Verwaltungsvorgänge sabotiert und das Betriebsklima vergiftet?
Ein störender Eigentümer ist kein seltenes Phänomen. Viele Verwalter und Beiräte berichten von massiven Problemen, wenn einzelne Mitglieder durch Dauerstreit, unzählige Anträge, aggressives Auftreten oder sogar öffentliche Verleumdungen auffallen. Solches Verhalten gefährdet nicht nur den Frieden in der Gemeinschaft, sondern verursacht auch erhebliche Zusatzkosten und Verwaltungsaufwand.
In diesem Beitrag erläutern wir aus Sicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und der Hausverwaltung:
Wie ein störender Eigentümer typischerweise auftritt,
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um gegen solches Verhalten vorzugehen,
Welche Rechte der Verwalter in der Eigentümerversammlung konkret hat,
Und wie Fallbeispiele aus der Praxis rechtlich zu bewerten sind.
Zudem zeigen wir auf, wie man mit präventiven Maßnahmen, klarer Kommunikation und strategischem Verhalten die Gemeinschaft handlungsfähig hält.
1. Typische Verhaltensweisen eines störenden Eigentümers
Nicht jeder unbequeme Eigentümer ist gleich ein Problemfall. Kritik, Anträge und Engagement sind wichtige Bestandteile demokratischer Mitwirkung. Doch ein störender Eigentümer überschreitet regelmäßig die Grenzen der Sachlichkeit und konstruktiven Mitarbeit. Typische Erscheinungsformen:
a) Antragsterror
Ein Eigentümer reicht vor jeder Versammlung 15–20 Beschlussanträge ein, viele davon unsinnig, redundant oder rechtlich unzulässig.
Beispiel: Antrag auf „Einrichtung einer energetischen Selbstversorgungsanlage auf dem Dach durch ihn allein“, obwohl Dachflächen Gemeinschaftseigentum sind.
b) Sabotage in der Eigentümerversammlung
Massive Zwischenrufe, persönliche Angriffe, endlose Redebeiträge.
Versammlungen werden durch endlose Diskussionen oder das gezielte Infragestellen von Protokollpunkten blockiert.
c) Diffamierung & Eskalation
Der Eigentümer verbreitet per E-Mail oder in Eigentümergruppen unwahre oder irreführende Behauptungen über die Verwaltung („Veruntreuung“, „Verschwörung mit dem Beirat“).
Teilweise werden andere Eigentümer aktiv aufgefordert, sich „zusammenzuschließen“.
d) Juristische Eskalation
Dauerhafte Anfechtung von Beschlüssen – auch solcher, die keinen persönlichen Nachteil verursachen.
Bei Ablehnung eines Antrags wird regelmäßig Klage eingereicht, oft ohne Erfolg.
2. Rechte und Möglichkeiten der GdWE
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist eine rechtsfähige Körperschaft (§ 9a WEG) mit weitreichenden Befugnissen zur Selbstorganisation und Konfliktbewältigung. Ihre Instrumente im Umgang mit einem störenden Eigentümer sind vielfältig:
a) Selbstorganisation: Geschäftsordnung & Struktur
Die Gemeinschaft kann durch einfachen Mehrheitsbeschluss (§ 25 Abs. 1 WEG) eine Geschäftsordnung für die Versammlung einführen, um eine Eskalation zu vermeiden. Möglich sind:
Begrenzung der Redezeit (z. B. 5 Minuten pro Tagesordnungspunkt),
Verbot von Wiederholungen (ein Thema darf nur einmal pro Versammlung angesprochen werden),
Wortmeldeliste mit Redezuteilung durch den Versammlungsleiter,
Abbruchregelung bei Störungen („nach dreimaliger Störung wird dem Teilnehmer das Wort entzogen“).
Solche Regelungen dienen der Funktionsfähigkeit der Versammlung und sind gerichtlich anerkannt (vgl. AG München, Urteil vom 25.04.2018 – 481 C 7018/17 WEG).
b) Ordnungsgemäße Tagesordnung: Filterung missbräuchlicher Anträge
Nach § 24 Abs. 2 WEG hat der Verwalter eine Versammlung „ordnungsgemäß“ einzuberufen. Dazu gehört die Auswahl der Tagesordnungspunkte. Anträge müssen:
rechtlich zulässig sein (z. B. darf ein Einzelner keine baulichen Veränderungen an Gemeinschaftseigentum verlangen),
nicht gegen Gesetz oder die Gemeinschaftsordnung verstoßen,
der ordnungsgemäßen Verwaltung dienen (§ 18 WEG).
Beispiel: Ein Antrag auf „Hausverbot für die Hausverwaltung“ ohne Beschluss über Abberufung ist unzulässig.
Wird ein Antrag aus berechtigtem Grund nicht aufgenommen, sollte dies dem Eigentümer schriftlich und begründet mitgeteilt werden.
3. Rechte und Pflichten der Hausverwaltung
Die Verwaltung ist das ausführende Organ der GdWE – aber auch ihr Schutzschild gegen Übergriffe. Sie muss neutral und professionell agieren, darf sich jedoch auch wehren, wenn sie zum Ziel systematischer Störung wird.
a) Versammlungsleitung
Meist übernimmt die Verwaltung die Versammlungsleitung. Daraus ergeben sich folgende Rechte:
Ordnungsrufe bei Störungen,
Beendigung des Rederechts bei Dauerstörungen (nach vorheriger Verwarnung),
Sitzungsunterbrechung oder -abbruch, wenn der Ablauf unzumutbar gestört wird (vgl. AG Dortmund, Urteil vom 14.12.2015 – 512 C 29/15 WEG),
Verweis auf Geschäftsordnung als verbindlichen Ordnungsrahmen.
In der Praxis hat sich bewährt, dass der Verwalter zu Beginn der Versammlung kurz auf die geltende Ordnung verweist.
b) Schriftliche Dokumentation
Besonders wichtig: sorgfältige Protokollierung.
Zwischenrufe, Ordnungsmaßnahmen, Eskalationen sollten mit Uhrzeit und Inhalt erfasst werden.
Dies schützt die Verwaltung und dient als Beweismittel, wenn rechtliche Schritte eingeleitet werden müssen.
c) Schutz vor persönlicher Diffamierung
Ständige Angriffe gegen die Verwaltung können nicht hingenommen werden. Bei wiederholter Verleumdung (z. B. „Veruntreuung von Geldern“) kann die Verwaltung:
eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fordern,
eine zivilrechtliche Unterlassungsklage erheben (§ 1004 BGB),
den Beirat oder die Eigentümergemeinschaft über eine mögliche Abberufung aus wichtigem Grund informieren, wenn die Belastung unzumutbar wird.
4. Juristische Eskalation: Abmahnung, Unterlassung, Eigentumsentziehung
a) Abmahnung durch die GdWE
Wiederholte Störungen können durch die Gemeinschaft abgemahnt werden. Die Abmahnung sollte enthalten:
konkrete Vorfälle mit Datum und Beschreibung,
Hinweis auf Pflichtverletzung (z. B. § 14 WEG – Gebot zur Rücksichtnahme),
Androhung weiterer Schritte (z. B. Unterlassungsklage).
Eine Abmahnung ist Voraussetzung für weitergehende Maßnahmen (z. B. Entziehung).
b) Unterlassungsklage
Erfolgversprechend, wenn der störende Eigentümer:
wiederholt diffamierende Aussagen trifft,
Eigentümerversammlungen nachhaltig stört,
durch Schreiben oder digitale Kommunikation andere Eigentümer gegen die Verwaltung aufhetzt.
Beispiel: Ein Eigentümer verschickte Mails mit dem Vorwurf, die Hausverwaltung habe Gelder „veruntreut“. Die GdWE klagte erfolgreich auf Unterlassung (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 12.11.2021 – 539 C 14/21).
c) Entziehung des Wohnungseigentums (§ 17 WEG)
Ultima Ratio. Voraussetzungen:
grobe Pflichtverletzung gegen die Gemeinschaft (z. B. ständige Störungen, Beschimpfungen, tätliche Angriffe),
vorherige Abmahnung,
Beschluss der GdWE über Klageerhebung.
Beispiel: In einem Fall (AG Hannover, Urteil vom 10.03.2017 – 483 C 16275/15 WEG) hatte ein Eigentümer über Jahre hinweg andere Eigentümer bedroht, diffamiert und Protokolle gefälscht. Das Gericht bestätigte die Entziehung.
5. Fallbeispiele aus der Praxis
Fall 1: Der Antragsterrorist
Hintergrund: Ein Eigentümer reichte 42 Anträge zur Versammlung ein – darunter:
„Ersetzung der gesamten Fensterbänke durch Edelstahl“,
„Einrichtung eines gemeinschaftlichen Fitnessraums im Keller“,
„Einführung eines Hausverbotssystems mit Fingerabdruck“.
Die Hausverwaltung setzte nur 5 Anträge auf die Tagesordnung. Der Eigentümer klagte – ohne Erfolg.
Rechtslage: Anträge müssen ordnungsgemäßer Verwaltung dienen. Unsinnige, rein private oder rechtswidrige Anträge dürfen ignoriert werden (AG München, Urteil vom 28.02.2019 – 482 C 17185/18 WEG).
Fall 2: Der Rufmörder
Hintergrund: Eine Eigentümerin verschickte mehrfach Rundmails mit dem Vorwurf, der Verwalter habe sich „an Rücklagen bereichert“ und arbeite „mit dem Beirat zusammen gegen die Gemeinschaft“.
Die Verwaltung beantragte eine einstweilige Verfügung – mit Erfolg.
Rechtslage: Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch unwahre Tatsachenbehauptungen können zivilrechtlich untersagt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 19.01.2023 – 15 W 4/23).
Fall 3: Der Versammlungs-Saboteur
Hintergrund: Ein Eigentümer meldete sich in jeder Versammlung zu jedem Punkt mehrfach, fiel durch Zwischenrufe auf und sorgte für Tumult. Die Verwaltung brach die Sitzung nach mehrfachen Ordnungsrufen ab.
Rechtslage: Der Versammlungsleiter darf bei nachhaltiger Störung die Versammlung abbrechen, wenn der geordnete Ablauf nicht mehr gewährleistet ist (AG Dortmund, s.o.).
6. Prävention & strategischer Umgang
a) Kommunikation & Transparenz
Ein Teil des Problems kann durch Missverständnisse entstehen. Eine transparente Kommunikation durch die Hausverwaltung (z. B. Vorabversand von Informationen, FAQs zu Beschlüssen) kann Spannungen mindern.
b) Digitale Tools
Online-Plattformen zur Versammlungsvorbereitung (z. B. mit Kommentarfunktion) können Diskussionen entemotionalisieren und auf eine sachliche Ebene lenken.
c) Unterstützung durch den Verwaltungsbeirat
Der Beirat sollte:
die Verwaltung öffentlich unterstützen,
bei Angriffen gegen die Gemeinschaft klar Stellung beziehen,
selbst moderierend auf Eskalationen reagieren.
7. Fazit: Störender Eigentümer – Rechte kennen, konsequent handeln
Ein störender Eigentümer kann eine ganze Gemeinschaft lahmlegen, Verwalter zur Verzweiflung bringen und hohe Folgekosten verursachen. Doch GdWE und Verwaltung sind nicht wehrlos.
Die zentralen Maßnahmen sind:
Prävention durch transparente Verwaltung und Geschäftsordnungen,
Versammlungsleitung mit klaren Regeln und ordnungsrechtlichen Maßnahmen,
Juristische Schritte wie Abmahnung, Unterlassung und in Extremfällen Eigentumsentziehung,
Strategisches Vorgehen mit Protokollierung und Beiratseinbindung.
Wichtig ist dabei stets: ruhig, sachlich und dokumentiert zu handeln – nicht auf Provokationen einzugehen, sondern rechtssicher zu reagieren. So bleibt die Gemeinschaft handlungsfähig und schützt sich selbst vor destruktivem Verhalten.
Hinweis für Eigentümergemeinschaften und Verwalter: Dieser Artikel ersetzt keine juristische Beratung im Einzelfall. Bei rechtlichen Auseinandersetzungen mit einem störenden Eigentümer sollte stets eine auf WEG-Recht spezialisierte Kanzlei hinzugezogen werden.
Schlusswort der Hausverwaltung Reiner GmbH
Als Hausverwaltung stehen wir täglich vor der Herausforderung, den Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen zu wahren und die ordnungsgemäße Verwaltung im Sinne aller Eigentümer sicherzustellen. In Fällen, in denen einzelne Eigentümer durch ihr Verhalten den Gemeinschaftsfrieden belasten, ist die Unterstützung des Verwaltungsbeirats für uns von unschätzbarem Wert.
Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Verwaltungsbeiräten bedanken, die uns mit Sachlichkeit, Engagement und Weitblick zur Seite stehen. Ihre konstruktive Mitarbeit und Ihr Rückhalt ermöglichen es uns, auch schwierige Situationen im Sinne der Gemeinschaft zu lösen.
Ihre Hausverwaltung Reiner GmbH
Kompetent. Transparent. Verlässlich.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: Mai 2025