Stimmrechtsverbot des Wohnungseigentümers
Nach § 25 Abs. 5 WEG ist ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts (z. B. Abschluss eines Vertrages) mit ihm (Variante 1) oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits (z. B. einer Klage) gegen ihn (Variante 2) betrifft oder wenn er nach § 18 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums (Entziehungsklage) verurteilt ist. Weil § 25 Abs. 5 WEG das Stimmrecht als wichtigstes Mitgliedschaftsrecht beschneidet, ist die Vorschrift eng auszulegen. Trotzdem gibt es Fälle von schweren Interessenkonflikten, in denen die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus entsprechend angewendet werden darf. Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.
Mit Urteil vom 13.01.2017 entschied der BGH: Ein Wohnungseigentümer ist entsprechend § 25 Abs. 5 Alt. 1 WEG bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit einer rechtsfähigen Personengesellschaft dann nicht stimmberechtigt, wenn er an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist.

Der Fall
Es geht um eine Anfechtungsklage. Der Beklagte ist der Mehrheitseigentümer. Die klagenden übrigen Wohnungseigentümer wenden sich gegen einen Beschluss der Versammlung, der mit der Stimmenmehrheit des Beklagten gefasst wurde. Beschlussinhalt ist der Abschluss eines Wärmelieferungsvertrages zwischen der WEG und einer GmbH & Co. KG, die auf einem benachbarten Grundstück eine Heizungsanlage betreibt und mehrere umliegende WEG mit Wärme beliefert. Der Beklagte ist Kommanditist dieser KG und Geschäftsführer von deren Komplementär-GmbH, an der er mit 51 Prozent der Gesellschaftsanteile beteiligt ist. Die übrigen 49 Prozent der Geschäftsanteile der Komplementärin stehen seiner Ehefrau zu. Zunächst war versucht worden, den Wärmelieferungsvertrag mit dem Beklagten selbst abzuschließen, jetzt ging es um den Abschluss mit der KG. Die Kläger fochten den Mehrheitsbeschluss gerichtlich an und beriefen sich auf ein den Beklagten treffendes Stimmverbot, so dass bei korrekter Stimmrechtsauszählung der Antrag hätte abgelehnt werden müssen. Mit ihrer Argumentation drangen die Kläger in allen Instanzen durch.

Die Entscheidung
Der BGH bejaht ein Stimmrechtsverbot nach § 25 Abs. 5 Variante1 WEG. Zwar passe der Wortlaut der Vorschrift nicht unmittelbar, da der Vertrag nicht mit dem Beklagten persönlich abgeschlossen werde, sondern mit einer Gesellschaft, mit der der Beklagte wirtschaftlich und persönlich verflochten sei. Jedoch komme über den Gesetzeswortlaut hinaus eine erweiternde (entsprechende) Anwendung des § 25 Abs. 5 WEG in Betracht, wobei allerdings Zurückhaltung geboten sei, da das Stimmrecht des Wohnungseigentümers zu dem Kernbereich seiner elementaren Mitgliedschaftsrechte gehöre. Auch sei es an sich nicht zu beanstanden, wenn ein Wohnungseigentümer bei der Abstimmung über eine gemeinschaftliche Angelegenheit auch private Sonderinteressen einfließen lasse. Jedoch könne eine solche Abwägung dem Wohnungseigentümer dann nicht mehr gestattet sein, wenn der Interessenkonflikt, in dem sich ein Wohnungseigentümer im Einzelfall befinden könne, so schwerwiegend sei, dass er ihn nicht mehr unbefangen lösen könne. In derartigen Ausnahmefällen sei mithin eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zulässig.
Der BGH bejaht einen solchen Ausnahmefall. Das Interesse der KG an dem Zustandekommen des Wärmelieferungsvertrages mit der WEG sei mit dem privaten Sonderinteresse des Beklagten am Abschluss des Vertrages gleichzusetzen. Dass er nur mit einem geringen Kommanditanteil von 1.500,00 EUR an der KG beteiligt sei, sei nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr seine Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der KG. Daraus ergäbe sich für den Beklagten der gleiche Interessenkonflikt, der sich für ihn ergäbe, wenn er selbst die Wärmelieferung hätte übernehmen sollen. Bei einer derartigen Fallkonstellation sei der Beklagte bei der Ausübung seines Stimmrechts als Wohnungseigentümer nicht mehr im Stande, seine privaten Sonderinteressen, das Gesellschaftsinteresse der KG und das Gemeinschaftsinteresse der Wohnungseigentümer unbefangen gegeneinander abzuwägen, sondern bei objektiver Bewertung ausschließlich davon geleitet, das Gemeinschaftsinteresse der WEG nicht mehr zu berücksichtigen. In einem solchen gesteigerten Fall der Interessenkollision sei es gerechtfertigt, den Wohnungseigentümer bei der Abstimmung mit einem Stimmrechtsverbot zu überziehen.

Fazit für den Beirat
Besteht ein Stimmrechtsverbot nach § 25 Abs. 5 WEG, darf der Verwalter den betroffenen Wohnungseigentümer von vornherein nicht an der Abstimmung beteiligen. Es verhält sich mithin anders als bei der Frage nach einem Stimmrechtsmissbrauch (§ 242 BGB), wo der Verwalter als Versammlungsleiter gehalten ist, erst nach Abgabe aller Stimmen abzuwägen, ob und inwieweit eine Einzelstimme wegen Rechtsmissbrauchs nicht mitzuzählen ist.