Verfrüht ausgesprochene Modernisierungsankündigung rechtsmissbräuchlich

Eine weit verfrüht ausgesprochene Modernisierungsankündigung ist laut einer Entscheidung des Landgerichts Berlin rechtsmissbräuchlich. Der Vermieter kann aus einer Ankündigung, die 16 Monate vor Beginn der am Mietobjekt beabsichtigten Maßnahmen erfolgte, keine Duldungsansprüche gegenüber dem Mieter herleiten.

Der Fall

Eine Vermieterin kündigte mit Schreiben vom 25. September 2018 die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen an, die erst ab Februar 2020 in dem vom Mieter bewohnten Gebäude durchgeführt werden sollten. Zuvor hatte die Vermieterin die Mieter der „gesamten Siedlung“ bereits nach Abschluss der Vereinbarung zum sozialverträglichen Ablauf der Modernisierung und Sanierung mit dem zuständigen Bezirksamt über das Vorhaben informiert, eine Mieterversammlung abgehalten, Mietersprechstunden durchgeführt und bereits im Dezember 2017 über die Regelungen zur „finanziellen Härte“ aufgeklärt. Aufgrund des langen Zeitraums von 16 Monaten bis zum Beginn der Modernisierungs- maßnahmen wendete sich der Mieter gegen den geltend gemachten Duldungsanspruch vor dem zuständigen Amtsgericht mit Erfolg, nachdem die Vermieterin diesen Anspruch erst knapp ein Jahr nach Ankündigung der Maßnahmen geltend gemacht hatte.

Die Entscheidung

Auch die von der Vermieterin eingelegte Berufung hat das zuständige Landgericht zurückgewiesen mit dem Hinweis, dass aus der zu überprüfenden ausgesprochenen Modernisierungsankündigung keine Duldungsansprüche hergeleitet werden können. Es komme dabei nicht darauf an, ob der Zeitraum zwischen dem Zugang der Modernisierungsankündigung und deren beabsichtigten Beginn eine – gesetzlich allerdings nicht geregelte – Höchstfrist nicht überschreiten dürfe, ohne dass der Vermieter seine Ansprüche aus der Modernisierungsankündigung verliere. Ein solcher Duldungsanspruch sei schon wegen des Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht durchsetzbar.

Das Berufungsgericht führt weiter aus, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine Rechtsausübung missbräuchlich sei, wenn ihr kein schutzwürdiges Interesse zukommt, sondern sie erfolgt, um sich unter Ausnutzung lediglich formal bestehender Rechte eine Position zu verschaffen, an der kein schutzwürdiges Eigeninteresse bestehe. Dies sei für den vorliegenden Fall zu bejahen. Durch eine weit verfrühte Ankündigung untergräbt der Vermieter nicht nur das an den Zugang der Duldungsankündigung geknüpfte und zeitlich befristete Sonderkündigungsrecht des Mieters aus § 555e Abs. 1 BGB, sondern beschränkt gleichzeitig zu dessen Nachteil die Möglichkeiten zur erfolgreichen Geltendmachung von Härtegründen nach § 555d Abs. 2 BGB.

Hinzukommend laufe eine weit verfrühte Ankündigung auch dem Gesetzeszweck des § 555c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 BGB zuwider, dem Mieter durch die Angabe des voraussichtlichen Beginns und der Dauer der Maßnahmen (§ 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) sowie der zu erwartenden Mieterhöhung (§ 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB) eine hinreichend verlässliche Planungs- und Entscheidungsgrundlage für den weiteren Verlauf des Mietverhältnisses zu verschaffen. Das Berufungsgericht führt weiter aus, es seien keine schutzwürdigen Eigeninteressen des Vermieters ersichtlich, die geeignet wären, die mit einer weit verfrühten Modernisierungsankündigung verbundenen erheblichen Rechtsnachteile des Mieters zu rechtfertigen. Eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Mieters weit vor dem angekündigten Beginn der Maßnahmen wäre allenfalls dann möglich, wenn durch die Geltendmachung von Härtegründen oder anderer Einwendungen die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung bestünde und deshalb gemäß § 259 ZPO eine Verurteilung zur zukünftigen Duldung gerechtfertigt wäre. Dies sei hier auch nach den eigenen Argumenten der Vermieterin ersichtlich nicht der Fall. Auch wenn nach Ansicht der Vermieterin nur eine zeitlich weit vorgelagerte Ankündigung der beabsichtigten Maßnahmen bei einem Großvorhaben einen sozialverträglichen Ablauf der Modernisierung mit hinreichender Planungssicherheit für den Vermieter möglich mache, gebe es keinen sachlich gerechtfertigten Grund, dem Mieter die in seiner Wohnung und dem Mietshaus beabsichtigten Maßnahmen nicht zeitnah, sondern erneut mit einem erheblichen zeitlichen Vorlauf – von nahe eineinhalb Jahren – anzukündigen. Daraus folgt, dass die Vermieterin ohne den Ausspruch einer neuerlichen Ankündigung die Duldung keiner der streitgegenständlichen Maßnahmen verlangen könne.

LG Berlin, Urteil vom 01.09.2020 – 67 S 108/20 Vorinstanz: AG Berlin-Mitte, 16.03.2020 – 20 C 162/19