Kein Anspruch auf Baumfällen bei Einhaltung des Grenzabstandes

Ein Grundstückseigentümer kann in aller Regel von seinem Nachbarn nicht die Beseitigung von Bäumen wegen der von ihnen ausgehenden natürlichen Immissionen auf sein Grundstück verlangen, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten worden sind.

Der Fall:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die in Baden-Württemberg belegen und mit Wohnhäusern bebaut sind. Auf dem Grundstück des Beklagten stehen in einem Abstand von mindestens zwei Meter zu der Grenze drei ca. 18 Meter hohe, gesunde Birken. Wegen der von den Birken ausgehenden Immissionen (Pollenflug, Herausfallen der Samen und Früchte, Herabfallen der leeren Zapfen sowie der Blätter und Birkenreiser) verlangt der Kläger mit seinem Hauptantrag deren Entfernung und hilfsweise eine monatliche Zahlung von jeweils 230 € in den Monaten Juni bis November eines jeden Jahres.

Die Entscheidung
:

Der BGH hat der zugelassenen Revision des beklagten Eigentümers stattgegeben und damit das erstinstanzliche Urteil, welches die Klage des Nachbarn im Haupt- und Hilfsantrag abgewiesen hatte, wieder hergestellt. Der Bundesgerichtshof führt in seiner Begründung aus, dass ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass der Beklagte ein Störer im Sinne dieser Vorschrift sein muss.

Hierfür genügt jedoch nicht bereits das Eigentum an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Vielmehr muss festgestellt werden, ob es Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen. Wenn es um durch Naturereignisse ausgelöste Störungen geht, ist entscheidend, ob sich die Nutzung des Grundstücks von dem die Beeinträchtigungen ausgehen, im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. In aller Regel ist von einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung auszugehen, wenn –wie hier gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4a i. V. m. Abs. 2 Satz 1 NRG-BW a. F. – die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind.

Kommt es trotz der Einhaltung der Abstandsgrenzen zu natürlichen Immissionen auf dem Nachbargrundstück, ist der Eigentümer des Grundstücks hierfür nach der von dem Gesetzgeber vorgenommenen Wertung regelmäßig nicht verantwortlich. Der BGH weist zwar darauf hin, dass grundsätzlich der Landesgesetzgeber nicht dem Nachbarn Rechte nehmen könne, die sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergeben, jedoch müsse die (Vor-)Frage gestellt werden, ob ein Grundstücks-eigentümer für natürliche Immissionen verantwortlich sei. Sobald dies ausscheidet, gibt es auch keinen Konflikt zwischen den Regeln des BGB und den landesrechtlichen Vorschriften. Da der Grundstückseigentümer für die Beeinträchtigungen nicht verantwortlich ist, scheidet auch ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vollständig aus.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.9.2019, Az. V ZR 218/18