Wer schuldet wem die Erstellung der Jahresabrechnung?

Nach der seit dem 1.12.2020 geltenden neuen Gesetzeslage (WEMoG) soll der Wohnungseigentümer die Erstellung der Jahresabrechnung nach einer im Vordringen befindlichen Rechtsmeinung nicht mehr vom Verwalter verlangen können, sondern von der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft wird stets vom amtierenden Verwalter vertreten, nicht von einem früheren Verwalter. Fraglich ist, ob deshalb in Fällen, in denen der Verwalter abberufen wurde, die Erstellung der Jahresabrechnung von diesem nicht mehr verlangt werden kann. Das Amtsgericht Kassel hat sich hierzu positioniert.

Mit Urteil vom 11.11.2021 zum gerichtlichen Aktenzeichen 800 C 1850/21 entschied das AG Kassel, dass für die Erstellung einer Jahresabrechnung nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr der alte, noch vor Erstellung der Jahresabrechnung abberufene Verwalter zuständig sei, sondern die Gemeinschaft, handelnd durch den neu bestellten Verwalter. Eine von der Gemeinschaft gegen den Ex-Verwalter erhobene Klage sei unbegründet, da der Amtsverlust den Ex schon aus Rechtsgründen an einer Erfüllung seiner Abrechnungspflicht hindere. Soweit ersichtlich, wurde das Urteil rechtskräftig.

Der Fall
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft begehrt von der Beklagten, ihrem früheren Verwalter, die Erstellung der Jahresabrechnung 2020 sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte war bis zum 24.4.2021 zum Verwalter der Klägerin bestellt. An jenem Tag fand eine Eigentümerversammlung statt, auf der die Abberufung der Beklagten mit sofortiger Wirkung beschlossen wurde. Die Jahresabrechnung 2020 hatte die Beklagte noch nicht erstellt. Mit Anwaltsschreiben vom 18.5.2021 ließ die Klägerin die Beklagte zur Herausgabe der Verwaltungsunterlagen an den neu bestellten Verwalter sowie zur Erstellung der Jahresabrechnung 2020 auffordern.

Die Beklagte wehrt sich gegen die Aufforderung zur Erstellung der Jahresabrechnung mit dem Einwand, dass ihre Verwaltertätigkeit durch die Abberufung mit sofortiger Wirkung geendet habe und sie deswegen nicht mehr in der Lage und nicht mehr berechtigt sei, die Jahresabrechnung zu erstellen.

Die Entscheidung
Das AG Kassel wies die Klage ab und folgte der Argumentation der Beklagten. Nach der Änderung des WEG zum 1.12.2020 sei die Erstellung der Jahresabrechnung nunmehr Aufgabe der Eigentümergemeinschaft selbst, handelnd durch das jeweils bestellte Organ. Da die Beklagte mit sofortiger Wirkung abberufen worden sei, sei sie bereits aus Rechtsgründen darin gehindert, die Jahresabrechnung 2020 zu erstellen. Ein anderer Rechtsgrund (als das Verwalteramt), aus dem sich eine Verpflichtung zur Erfüllung des Klagebegehrens ergeben könnte, sei von der Klägerin weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren. Die Beklagte habe sich nicht in Verzug befunden, als die Klägerin ihren Rechtsanwalt einschaltete. Erst das Schreiben des Rechtsanwalts habe einen Verzug der Beklagten begründen können.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Nach alter Gesetzeslage konnte und durfte jeder Wohnungseigentümer vom Verwalter die Erstellung der Jahresabrechnung einfordern, ggf. vor Gericht. Nach neuer Gesetzeslage bestehen keine Direktansprüche. Abrechnungsschuldner ist die Gemeinschaft, auch wenn in § 28 Abs. 2 S. 2 WEG formuliert ist, dass der Verwalter die Abrechnung aufzustellen habe. Die Vorschrift erwähnt ihn insoweit nur als Organ der Gemeinschaft, nicht als unmittelbaren Schuldner des Wohnungseigentümers.

Unzweifelhaft schuldet der amtierende Verwalter der Gemeinschaft die Erstellung der Jahresabrechnung. Dem Verwalter gegenüber vertritt der Verwaltungsbeiratsvorsitzende die Gemeinschaft (§ 9b Abs. 2 WEG), sodass ein Wohnungseigentümer, der die Erstellung der Jahresabrechnung einfordern will, sich am besten an den Beiratsvorsitzenden wendet, damit dieser namens der Gemeinschaft den Verwalter auffordert, die Jahresabrechnung vorzulegen. Die Erstellung der Jahresabrechnung als Rechenwerk hat werkvertraglichen Charakter, kann also im Streitfall auch von einem Dritten erstellt werden, ggf. auf Kosten des Verwalters. So hat es der BGH zur alten Gesetzeslage entschieden, und es ist derzeit nicht zu erwarten, dass sich daran etwas ändern wird.

Fazit für die Gemeinschaft
Bei der Beschlussfassung über die sofortige Abberufung am 24.4.2021 galt der neue § 26 Abs. 3 WEG. Danach kann der Verwalter jederzeit abberufen werden, also ohne Angabe von Gründen. Ob die sofortige Abberufung auf einen wichtigen Grund gestützt wurde, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Der Verwaltervertrag endete spätestens 6 Monate nach der Verwalterabberufung (§ 26 Abs. 3 S. 2 WEG), vorliegend also spätestens mit Ablauf des 25.10.2021 (Montag). Nach Ansicht des AG Kassel kommt es auf Überlegungen zur Vertragslage bzw. nachvertraglichen Rechtslage nicht an. Die Klage hätte von vornherein nicht mehr gegen den Ex-Verwalter erhoben werden dürfen. Stattdessen hätte sich die Gemeinschaft an den neu bestellten Verwalter wenden müssen, um die Jahresabrechnung 2020 zu erhalten.

Da die Erstellung einer Jahresabrechnung in Bezug auf das Zahlenwerk werkvertraglichen Charakter hat, kann die Gemeinschaft Kostenerstattung für einen von ihr außergerichtlich eingeschalteten Rechtsanwalt nicht nur beanspruchen, wenn sich der Verwalter bei Anwaltseinschaltung bereits in Verzug befand. Vielmehr ergibt sich aus § 635 Abs. 2 BGB eine eigenständige Anspruchsgrundlage, die keinen Verzug voraussetzt.

Die Gemeinschaft beantragte laut Urteilsgründen, die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen durch Erstellung und Herausgabe der Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen für die Zeit vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 (Jahresabrechnung 2020). Dieser Klageantrag wirft zwei verschiedene Ansprüche durcheinander, deren Rechtsfolgen nicht zueinander passen. Die Rechnungslegung ist ein eigenständiger Anspruch und richtete sich vorliegend auf den Stichtag 24.4.2021. Die Erstellung von Einzeljahresabrechnungen ist kein Bestandteil der Rechnungslegung. Die Erstellung der Jahresabrechnung 2020 (1.1.-31.12.2020) ist ein separater Rechtsanspruch. Es wäre darauf hinzuwirken gewesen, dass eindeutige und sachdienliche Klageanträge gestellt werden. Zur Rechnungslegung wäre die Beklagte womöglich zu verurteilen gewesen. Der Amtsverlust lässt die Rechnungslegungsverpflichtung des Ex-Verwalters nicht erlöschen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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