Grillen im Mehrfamilienhaus – Was erlaubt ist und was nicht
Ein rechtlicher Leitfaden für Mieter, Eigentümer und Hausverwaltungen in Baden-Württemberg
Grillen ist für viele Menschen in Deutschland ein beliebtes Freizeitvergnügen, besonders in den Sommermonaten. Doch während Einfamilienhausbesitzer meist ungestört im eigenen Garten grillen können, sieht die Lage in Mehrfamilienhäusern oft anders aus. Hier treffen unterschiedliche Lebensstile, Bedürfnisse und Rechte auf engem Raum aufeinander – und das führt nicht selten zu Konflikten rund ums Grillen. Für Hausverwaltungen, Mieter und selbst nutzende Eigentümer stellt sich daher die Frage: Was ist beim Grillen erlaubt? Welche Rolle spielt die Hausordnung? Und wie sieht die rechtliche Lage in Baden-Württemberg aus?
In diesem Beitrag beleuchten wir das Thema Grillen in Mehrfamilienhäusern aus verschiedenen Perspektiven und mit besonderem Fokus auf die rechtlichen Rahmenbedingungen. Dabei gehen wir insbesondere auf die Bedeutung des BGB, die Funktion der Hausordnung, die Rechte und Pflichten von Mietern und Eigentümern sowie die Aufgaben der Hausverwaltung ein.
1. Ein Genuss mit Konfliktpotenzial
Das Grillen auf dem Balkon, der Terrasse oder im gemeinschaftlich genutzten Garten ist eine gesellige Aktivität, die jedoch mit Geruchs-, Rauch- und Lärmemissionen einhergeht. In Mehrfamilienhäusern leben viele Menschen Tür an Tür – und nicht jeder freut sich über den Duft von Grillwürsten oder die Rauchschwaden, die durch geöffnete Fenster ziehen.
Häufige Konflikte beim Grillen im Mehrfamilienhaus:
Rauch- und Geruchsbelästigung
Lärmbelästigung durch Partys oder Musik
Nutzung gemeinschaftlicher Flächen ohne Erlaubnis
Verwendung von Holzkohlegrills auf dem Balkon
Diese Konflikte machen deutlich, dass Grillen in Mehrfamilienhäusern reguliert werden muss – sowohl im Interesse der Hausgemeinschaft als auch zum Schutz des Hausfriedens.
2. Rechtliche Grundlagen: Was sagt das Gesetz dazu?
2.1 Grillen und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
Das BGB (Bürgerliche Gesetzbuch) enthält keine spezifischen Regelungen zum Thema Grillen. Es gelten daher die allgemeinen zivilrechtlichen Normen:
§ 535 BGB – Gebrauch der Mietsache: Mieter dürfen die Wohnung bestimmungsgemäß nutzen, dazu kann auch gelegentliches Grillen gehören – solange es keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für andere verursacht.
§ 906 BGB – Zuführung unwägbarer Stoffe: Nachbarn müssen gewisse Beeinträchtigungen dulden, sofern sie ortsüblich und zumutbar sind. Übermäßiger Rauch kann aber unzulässig sein.
§ 1004 BGB – Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch: Bei Störungen (z. B. durch Rauch) können Nachbarn Unterlassung verlangen.
Fazit: Grillen ist grundsätzlich erlaubt, aber es darf keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für andere Hausbewohner verursachen. Ob eine Beeinträchtigung unzumutbar ist, hängt vom Einzelfall ab.
2.2 Grillen im Mietrecht
Für Mieter gilt, dass sie die Mietsache in einem „vertragsgemäßen Rahmen“ nutzen dürfen. Dazu kann gelegentliches Grillen auf dem Balkon oder im Garten gehören. Allerdings haben Vermieter über den Mietvertrag oder die Hausordnung das Recht, das Grillen einzuschränken oder sogar zu verbieten.
Ein komplettes Grillverbot im Mietvertrag oder in der Hausordnung ist rechtlich zulässig, wenn es sachlich begründet ist – etwa aus Brandschutzgründen oder zum Schutz der Mitbewohner vor Rauch- und Geruchsbelästigung.
2.3 Landesrechtliche Vorgaben in Baden-Württemberg
Das Bundesland Baden-Württemberg hat keine besonderen Vorschriften zum Grillen in Wohngebäuden erlassen. Das bedeutet, dass hier die bundesrechtlichen Regelungen und kommunale Satzungen gelten.
Dennoch sind in manchen Städten wie Stuttgart, Freiburg oder Karlsruhe lokale Brandschutzverordnungen oder städtische Satzungen zu beachten, die das Grillen auf Balkonen oder in dicht besiedelten Wohngebieten einschränken können.
3. Die Hausordnung: Zentrale Regelung fürs Grillen
Die Hausordnung spielt in Mehrfamilienhäusern eine entscheidende Rolle. Sie konkretisiert die gegenseitigen Pflichten der Hausbewohner und sorgt für ein geregeltes Miteinander.
3.1 Was darf in der Hausordnung geregelt werden?
Grillverbot auf Balkonen (insbesondere bei Holzkohle)
Erlaubnis von Gas- oder Elektrogrills
Zeitliche Einschränkungen (z. B. nur zwischen 17 und 21 Uhr)
Höchstens x-mal pro Monat grillen
Vorankündigungspflicht bei Gemeinschaftsflächen
Eine gut formulierte Hausordnung schützt sowohl die Ruhe der Nachbarn als auch die Rechtssicherheit für Mieter und Eigentümer.
3.2 Verbindlichkeit der Hausordnung
Für Mieter ist die Hausordnung bindend, wenn sie Bestandteil des Mietvertrags ist.
In Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) gilt die Hausordnung, wenn sie per Beschluss von der Eigentümerversammlung mehrheitlich angenommen wurde.
4. Die Sichtweise der Hausverwaltung
Als Hausverwaltung trägt man die Verantwortung, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen Parteien herzustellen. Ziel ist es, Konflikte zu vermeiden, aber gleichzeitig Lebensqualität und Freizeitgestaltung nicht unnötig einzuschränken.
4.1 Aufgaben der Hausverwaltung:
Erstellung oder Anpassung der Hausordnung
Information der Bewohner zu Beginn der Grillsaison
Beratung der Eigentümergemeinschaft
Schlichtung bei Konflikten zwischen Mietern/Eigentümern
Durchsetzung von Verboten oder Auflagen bei wiederholten Verstößen
4.2 Gute Praxis: Grill-Policy erstellen
Eine „Grill-Policy“ kann klare Regeln enthalten:
Wo darf gegrillt werden?
Welche Grillarten sind erlaubt?
Wie oft darf gegrillt werden?
Muss das Grillen angemeldet werden?
Durch transparente Kommunikation können viele Konflikte im Vorfeld vermieden werden.
5. Was gilt für Mieter beim Grillen?
5.1 Grillen auf dem Balkon
Das Grillen auf dem Balkon ist in Deutschland nicht grundsätzlich verboten. Allerdings kann es über die Hausordnung oder den Mietvertrag verboten oder eingeschränkt werden. Gerade Holzkohlegrills sind problematisch, da sie viel Rauch verursachen.
Gerichtsurteile:
AG Bonn (6 C 545/96): Grillen einmal monatlich mit 48 Std. Vorankündigung erlaubt.
LG Essen (10 S 438/01): Verbot eines Holzkohlegrills wegen starker Rauchentwicklung.
5.2 Was dürfen Mieter?
- Grillen mit Elektrogrill oder Gasgrill
- Grillen auf dem Balkon, wenn nicht ausdrücklich verboten
- Gelegentliches Grillen im Garten, wenn gestattet
- Kein Grillen bei Verbot in Hausordnung/Mietvertrag
- Keine Rauchbelästigung der Nachbarn
6. Was gilt für selbst nutzende Eigentümer beim Grillen?
Selbstnutzende Eigentümer glauben häufig, sie könnten „frei“ über ihr Verhalten entscheiden. Doch auch sie unterliegen rechtlichen Einschränkungen:
6.1 Rechte und Pflichten in der WEG
Laut § 14 WEG haben Eigentümer „alles zu unterlassen, was die anderen Eigentümer über das Maß des zulässigen Gebrauchs hinaus beeinträchtigt.“
Das bedeutet:
Grillen mit Rücksichtnahme
Keine erhebliche Belästigung durch Rauch oder Geruch
Beachtung der Hausordnung und Gemeinschaftsordnung
6.2 Grillverbote durch WEG-Beschluss
Die Eigentümerversammlung kann mit einfacher Mehrheit das Grillen einschränken oder verbieten – z. B. auf Balkonen oder im Innenhof. Solche Beschlüsse sind bindend, auch für selbst nutzende Eigentümer.
7. Empfehlungen für ein friedliches Miteinander
Um Konflikte beim Grillen in Mehrfamilienhäusern zu vermeiden, empfehlen wir als Hausverwaltung folgende Maßnahmen:
7.1 Für Eigentümergemeinschaften
Regelung in der Gemeinschaftsordnung oder per Beschluss
Differenzierung zwischen Balkon, Garten und Gemeinschaftsflächen
Optionale Einrichtung eines Grillplatzes
7.2 Für Vermieter
Klare Hausordnung mit Grillregeln
Aufklärung der Mieter bei Vertragsabschluss
Hinweis auf geeignete Grillarten
7.3 Für Mieter und Eigentümer
Rücksicht auf Nachbarn nehmen
Grillzeiten beachten (z. B. nicht nach 22 Uhr)
Rauchentwicklung möglichst vermeiden
Vorab kommunizieren, wenn man grillt (z. B. Aushang oder Nachricht an Nachbarn)
Fazit: Grillen mit Rücksicht – so klappt’s auch im Mehrfamilienhaus
Grillen ist ein Ausdruck von Lebensfreude, Geselligkeit und kulinarischem Genuss – aber im Mehrfamilienhaus braucht es klare Regeln. Hausverwaltungen, Eigentümer und Mieter sollten gemeinsam dafür sorgen, dass es nicht zur Belastung für andere wird.
Mit klarer Kommunikation, einer rechtssicheren Hausordnung und dem nötigen gegenseitigen Verständnis steht dem Grillvergnügen in Baden-Württemberg nichts im Weg – ganz nach dem Motto: Rücksicht nehmen, Regeln beachten und gemeinsam genießen.
Zusätzlich zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben spielt auch die nachbarschaftliche Kultur eine wichtige Rolle. Wer sich freundlich begegnet, ist eher bereit, Kompromisse einzugehen oder kleinere Unannehmlichkeiten zu tolerieren. Ein kurzer Hinweis an die Nachbarn, eine Einladung oder einfach ein freundliches Gespräch im Treppenhaus kann helfen, Spannungen gar nicht erst entstehen zu lassen. So entsteht ein Klima des gegenseitigen Respekts, das über das Thema hinaus den Alltag im Haus erleichtert.
Auch Hausverwaltungen profitieren davon, wenn sie das Thema nicht nur verwalten, sondern aktiv gestalten – etwa durch Infobriefe, saisonale Hinweise oder durch das Initiieren gemeinschaftlicher Aktionen, bei denen alle auf ihre Kosten kommen. Denn wenn Regeln transparent, nachvollziehbar und fair sind, fällt es leichter, sie zu akzeptieren und umzusetzen.
Nicht zuletzt sollte bedacht werden, dass das Zusammenleben in einem Mehrparteienhaus stets von gegenseitiger Rücksichtnahme, Empathie und klarer Kommunikation lebt. Wer den Dialog sucht, statt Konflikte zu provozieren, trägt zu einem angenehmen Wohnumfeld bei, in dem sich alle wohlfühlen – unabhängig von individuellen Vorlieben oder Gewohnheiten. Gerade in dicht besiedelten Wohnanlagen ist es wichtig, persönliche Bedürfnisse mit den Interessen der Gemeinschaft in Einklang zu bringen. Dabei helfen klare Strukturen, gegenseitiges Verständnis und die Bereitschaft, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen.
Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH
Stand: April 2025