Fenster – Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum?

Juristische Klarheit nach dem WEMoG

Einleitung

Fenster sind in Wohnungseigentumsanlagen regelmäßig Streitgegenstand. Wer trägt die Kosten für Reparatur oder Austausch? Darf ein einzelner Eigentümer selbstständig Fenster erneuern? Und was gilt nach der WEG-Reform durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG)? Die Hausverwaltung Reiner GmbH klärt in diesem Beitrag auf: juristisch fundiert, praxisnah und mit Blick auf aktuelle Rechtsprechung sowie geltendes Recht ab dem 1. Dezember 2020.


1. Fenster im rechtlichen Kontext: Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum?

1.1 Gesetzliche Einordnung nach WEG

Grundsätzlich gehören alle Gebäudeteile, die für den Bestand oder die Sicherheit des Gebäudes erforderlich sind, zum Gemeinschaftseigentum (§ 5 Abs. 2 WEG). Fenster – als äußere Abschlüsse von Räumen – zählen in der Regel dazu.

Damit sind sämtliche Außenfenster, unabhängig davon, ob sie sich in einer Wohnung oder in Gemeinschaftsflächen befinden, Teil des Gemeinschaftseigentums. Daraus folgt: Die Gemeinschaft ist zuständig für deren Instandhaltung und Instandsetzung (§ 18 Abs. 1 WEG).

1.2 Abgrenzung: Innenfenster und reine Raumabschlüsse

In wenigen Fällen finden sich in Teilungserklärungen Differenzierungen: z. B. zwischen Außenfenstern und Innenfenstern (z. B. zu einem Wintergarten, Treppenhaus oder innenliegenden Atrium). Innenfenster können – wenn sie nicht der Gebäudesicherheit oder -optik dienen – dem Sondereigentum zugeordnet sein. Diese Zuordnung muss jedoch ausdrücklich und eindeutig aus der Teilungserklärung hervorgehen.


2. Die Praxis: Kunststofffenster, Altanlagen und unklare Regelungen

2.1 Kunststofffenster vs. Holzfenster

Der Einbau von Kunststofffenstern statt ehemals vorhandener Holzrahmen betrifft die optische Einheit des Gebäudes – und damit das Gemeinschaftseigentum. Selbst wenn die Fenster innerhalb der Wohnung liegen, ist ihr Austausch ohne Genehmigung durch die WEG unzulässig.

2.2 Teilungserklärungen mit veralteten Formulierungen

Viele ältere Teilungserklärungen enthalten pauschale Formulierungen wie:

„Jeder Wohnungseigentümer ist für die Instandhaltung seiner Fenster selbst verantwortlich.“

Diese Formulierungen sind – nach geltendem Recht – nicht mehr wirksam, sofern sie auf eine dauerhafte Abwälzung der Kosten auf das Sondereigentum abzielen. Denn Fenster gehören zwingend zum Gemeinschaftseigentum.


3. Was hat das WEMoG verändert?

3.1 Das neue Kostenverteilungsrecht (§ 16 Abs. 2 WEG)

Seit Inkrafttreten des WEMoG am 1. Dezember 2020 können Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit beschließen, dass die Kosten für bestimmte Maßnahmen nicht nach Miteigentumsanteilen, sondern abweichend verteilt werden. Das betrifft auch die Fenster.

Ein solcher Beschluss kann z. B. regeln:

  • Eigentümer mit Westseitenfenstern tragen allein die Austauschkosten
  • Fenster zur Straße hin werden gesondert behandelt
  • einzelne Gebäudeteile erhalten eigene Umlageschlüssel

3.2 Ungültigkeit alter Beschlüsse

Wichtig: Alle vor dem 1. Dezember 2020 gefassten Beschlüsse, die eine dauerhafte Regelung der Kostenlast für Fenster enthalten, sind rechtlich unwirksam. Das hat sich durch das WEMoG grundlegend geändert.

Die alte Praxis, wonach Eigentümer dauerhaft selbst für ihre Fenster zuständig waren, ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Der Bundesgerichtshof und die herrschende Meinung in der Literatur sehen solche Regelungen als nichtig an.


4. Der rechtlich richtige Weg beim Fenstertausch

4.1 Keine Einzelmaßnahme durch Eigentümer

Ein einzelner Eigentümer darf Fenster nicht ohne Genehmigung der Gemeinschaft austauschen. Solche Maßnahmen gelten als bauliche Veränderung, für die ein Beschluss der WEG notwendig ist.

4.2 Ablauf eines korrekten Fenstertauschs

  1. Antrag des Eigentümers an die Hausverwaltung
  2. Prüfung durch Verwaltung und ggf. Sachverständige
  3. Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung
  4. Beauftragung durch die Gemeinschaft
  5. Umlage der Kosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG oder Sonderregelung

5. Folgen eigenmächtigen Handelns

Tauscht ein Eigentümer Fenster ohne Beschluss aus, riskiert er:

  • Rückbau auf eigene Kosten
  • Schadensersatz gegenüber der Gemeinschaft
  • Verlust von Versicherungsschutz
  • gerichtliche Auseinandersetzung

6. Warum die Gemeinschaft beauftragen?

6.1 Einheitliches Erscheinungsbild

Ein Gebäude mit einheitlichen Fensterprofilen wirkt gepflegt und wertstabil. Unterschiedliche Fensterformen oder Farben stören nicht nur optisch, sondern können auch zu Konflikten mit Behörden (z. B. bei Ensembleschutz) führen.

6.2 Gewährleistungsrechte und Qualitätssicherung

Beauftragt die Gemeinschaft zentral ein Fensterunternehmen, bestehen klare Gewährleistungsansprüche. Zudem werden durch technische Prüfungen Wärme- und Schallschutzanforderungen einheitlich eingehalten.


7. Gestaltungsmöglichkeiten: Abweichende Kostentragung auch bei Fenster

7.1 Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG

Die Gemeinschaft kann mehrheitlich beschließen, dass bestimmte Eigentümer Fensterkosten selbst tragen – z. B. für außergewöhnlich große Fensterflächen oder bestimmte Ausrichtungen. Voraussetzung ist ein ordnungsmäßiger Beschluss.

7.2 Keine Eintragung ins Grundbuch erforderlich

Diese Beschlüsse müssen nicht im Grundbuch eingetragen werden und gelten unmittelbar ab Wirksamkeit.


8. Altbeschlüsse: Was tun?

8.1 Prüfung durch die Verwaltung

Die Hausverwaltung sollte sämtliche alten Beschlüsse zur Fensterzuständigkeit prüfen. Bestehen dort Regelungen, wonach Eigentümer selbst zahlen müssen, sind diese rechtlich gegenstandslos.

8.2 Neuordnung durch Beschluss

Die Eigentümerversammlung sollte neue, rechtssichere Beschlüsse fassen. Dabei ist sowohl die bauliche Einheit als auch die Kostengerechtigkeit zu wahren.


FAQ: Häufige Fragen

Sind alle Fenster Gemeinschaftseigentum?
Ja, sofern sie das äußere Erscheinungsbild oder die Gebäudehülle betreffen.

Darf ich mein Fenster selbst austauschen?
Nein. Dies ist ohne Beschluss eine bauliche Veränderung.

Wer zahlt bei einem Fensteraustausch?
Die Gemeinschaft – sofern keine wirksame abweichende Kostenregelung beschlossen wurde.

Sind alte Fensterbeschlüsse noch gültig?
Nein, nicht wenn sie eine dauerhafte Kostenabwälzung auf Eigentümer vorsehen.

Was kostet ein rechtssicherer Beschluss?
Nur die organisatorische Umsetzung. Kein Notar, kein Grundbucheintrag erforderlich.


Fazit: Fensterfragen klar regeln

Das WEMoG hat die rechtliche Lage zu Fenstern deutlich vereinfacht – aber alte Missverständnisse wirken nach. Die Hausverwaltung Reiner GmbH empfiehlt daher:

  • alte Beschlüsse überprüfen
  • neue Regeln klar und rechtssicher beschließen
  • keine Alleingänge dulden
  • technische Standards wahren

Mit einem sauberen Fensterkonzept sichern Sie den Wert Ihrer Immobilie und vermeiden Streit – rechtlich und baulich.

Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH

Stand: Juni 2025