Zwist um die Hecke: Wann greift der Anwaltszwang?
In einem WEG-Prozess vor dem Amtsgericht Bautzen kursierte eine falsche Rechtsmittelbelehrung, die das Landgericht Görlitz als zuständiges Berufungsgericht angab. Ein Berufungskläger bzw. sein Rechtsanwalt vertraute auf diese unrichtige Angabe und verpasste dadurch die Berufungsfrist. Sein Rettungsversuch hatte Erfolg.

Der Fall
Zwei Wohnungseigentümer (Sondernutzungsberechtigte) streiten sich über die Höhe einer Thujenhecke, die die Grenze ihrer beiden Garten-Sondernutzungsflächen bildet. Der Kläger verlangte einen Rückschnitt auf 1,80 Meter. Das AG Bautzen gab der Klage statt. In der Rechtsmittelbelehrung wurde – fälschlicherweise – das LG Görlitz als zuständiges Berufungsgericht bezeichnet. Der Rechtsanwalt des Beklagten legte Berufung beim LG Görlitz ein. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Unzuständigkeit des angerufenen Berufungsgerichts legte der Beklagtenanwalt Berufung bei dem LG Dresden ein. Das LG Dresden wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Es ist der Meinung, der Beklagte habe sich das schuldhafte Verhalten seines Rechtsanwalts zurechnen zu lassen. Die Tatsache, dass sein Rechtsanwalt nicht Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sei, entschuldige ihn nicht.

Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) sah den Fall anders, hob die Entscheidung des LG Dresden auf und verwies die Sache an das dortige Gericht zurück. In seinem Beschluss beurteilt der BGH die entscheidende Frage, ob die Fehlerhaftigkeit der gerichtlich verwendeten Rechtsmittelbelehrung für einen Rechtsanwalt bei objektiver Betrachtung offenkundig war, anders als das Berufungsgericht. Unter Hinweis auf das Rechtsstaatsprinzip und die Notwendigkeit eines fairen Prozesses kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass der hier tätige Rechtsanwalt die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht erkennen konnte bzw. musste. Deshalb sei der Beklagtenseite Wiedereinsetzung in den Lauf der Berufungsfrist zu gewähren.

Fazit für den Beirat
Im amtsgerichtlichen Verfahren dürfen Wohnungseigentumsverwalter ohne Rechtsanwalt die Beklagten im Anfechtungsprozess vertreten. Ein Anwaltszwang gilt vor den Deutschen Amtsgerichten nicht. Wird – wie hier – für die Beklagtenseite Berufung eingelegt, greift der Anwaltszwang. Der Verwalter muss daher spätestens für die zweite Instanz einen Rechtsanwalt einschalten.