Eigentümergemeinschaft darf Eigentum erwerben – aber nur unter bestimmten Bedingungen
Kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft selbst eine Eigentumswohnung erwerben, sogar innerhalb der eigenen Wohnanlage? Das Oberlandesgericht Hamm hat dazu im Jahr 2009 eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, die bis heute für Eigentümergemeinschaften, Hausverwaltungen und Verwaltungsbeiräte von großer Bedeutung ist.
Im Folgenden erklären wir Ihnen als Hausverwaltung Reiner GmbH die rechtlichen Grundlagen, praktischen Anwendungsfälle sowie Risiken und geben Ihnen wertvolle Empfehlungen für die Eigentümergemeinschaft.
Was war geschehen?
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) wollte die Mehrheit der Eigentümer eine freie Wohnung innerhalb der Anlage kaufen und diese für gemeinschaftliche Zwecke nutzen. Einige Eigentümer zweifelten jedoch an, ob die Gemeinschaft als juristische Person überhaupt Eigentum erwerben darf.
Das OLG Hamm (Beschluss vom 20.10.2009, Az. I-15 Wx 81/09) stellte klar:
Die Eigentümergemeinschaft ist eine rechtsfähige juristische Person und darf grundsätzlich auch Wohnungseigentum erwerben.
Allerdings schränkte das Gericht den Beschluss ein: Ein solcher Erwerb ist nur dann mit ordnungsgemäßer Verwaltung vereinbar, wenn gewichtige Gemeinschaftsinteressen vorliegen, die über bloße Zweckmäßigkeit hinausgehen.
Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft
Seit der WEG-Reform 2007 ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) als teilrechtsfähige juristische Person anerkannt. Das bedeutet, sie kann:
- Eigentum erwerben und veräußern,
- Verträge abschließen,
- vor Gericht klagen und verklagt werden,
- ins Grundbuch eingetragen werden.
Diese Rechtsfähigkeit wurde durch das WEMoG (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz) 2020 weiter gestärkt.
Wann darf die Eigentümergemeinschaft Eigentum erwerben?
1. Beschlussfassung erforderlich
Ein Erwerb von Wohnungseigentum durch die GdWE erfordert immer einen formellen Beschluss der Eigentümer nach § 23 WEG. Der Beschluss muss mit einfacher Mehrheit erfolgen und begründet sein.
2. „Gewichtige Gemeinschaftsinteressen“ notwendig
Das OLG Hamm betonte, dass der Erwerb nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe rechtmäßig ist. Bloße Zweckmäßigkeit (z. B. „Es ist günstig“) reicht nicht aus.
Beispiele für gewichtige Interessen:
- Nutzung der Wohnung als Hausmeisterwohnung,
- Einrichtung eines Gemeinschaftsraums,
- Vermeidung von Leerstand oder Verwahrlosung,
- strategische Erweiterung gemeinschaftlicher Infrastruktur.
Praxisbeispiel: Hausmeisterwohnung
Eine typische Situation: Die GdWE möchte eine leerstehende Wohnung kaufen, um dort dauerhaft einen Hausmeister unterzubringen. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- sofortige Erreichbarkeit im Notfall,
- Werterhalt der Anlage,
- klare Aufgabenzuweisung.
Ein solcher Erwerb kann als von »gewichtiger Bedeutung« angesehen werden, wenn alternative Lösungen nicht zur Verfügung stehen oder langfristig kostenintensiver wären.
Finanzierung und Haftung
Ein Erwerb durch die GdWE ist meist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Eigentümergemeinschaft muss daher auch klären:
- Wie wird der Kaufpreis finanziert?
- Wird ein Darlehen aufgenommen?
- Wird die Rücklage aufgelöst?
- Erhöht sich das Hausgeld?
Eine transparente Kosten-Nutzen-Rechnung ist unerlässlich, um Anfechtungsklagen zu vermeiden.
Mögliche Risiken und Anfechtung
Eigentümer, die gegen den Erwerb sind, können den Beschluss nach § 44 WEG anfechten. Dabei prüft das Gericht insbesondere:
- Wurden die Interessen der Minderheit berücksichtigt?
- Liegt ein nachvollziehbarer Gemeinschaftsnutzen vor?
- War die Finanzierung gesichert?
Fehlen diese Grundlagen, kann der Erwerbsbeschluss für ungültig erklärt werden. Das kann zu finanziellen und verwaltungstechnischen Problemen führen.
Empfehlungen der Hausverwaltung Reiner GmbH
Aus unserer langjährigen Praxis als professionelle Hausverwaltung raten wir:
- Frühzeitige Information: Informieren Sie alle Eigentümer umfassend über die Pläne.
- Begründung dokumentieren: Die »gewichtigen Gründe« müssen detailliert schriftlich festgehalten werden.
- Kostentransparenz schaffen: Zeigen Sie Alternativen auf und belegen Sie den wirtschaftlichen Nutzen.
- Externe Prüfung einholen: Ein Wertgutachten oder eine rechtliche Stellungnahme schafft Sicherheit.
- Beschlussformulierung klar und rechtssicher gestalten: Wir helfen Ihnen gern dabei.
Fazit
Ja, eine Eigentümergemeinschaft darf eine Eigentumswohnung erwerben – auch innerhalb der eigenen Anlage. Doch es braucht eine solide rechtliche Grundlage, transparente Planung und einen gut vorbereiteten Beschluss.
Der Erwerb muss für die gesamte Gemeinschaft nachvollziehbar und sinnvoll sein. Als Hausverwaltung Reiner GmbH begleiten wir Sie gern bei der rechtssicheren Vorbereitung und Umsetzung eines solchen Vorhabens.
Was hat sich durch das WEMoG für den Erwerb von Wohnungseigentum durch die Eigentümergemeinschaft geändert?
Seit dem Inkrafttreten des WEMoG am 1. Dezember 2020 hat sich das rechtliche Verständnis der Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) als eigenständige Rechtsperson weiter gefestigt und gesetzlich präzisiert. Der Gesetzgeber hat durch die Reform insbesondere die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht nur bestätigt, sondern auch klarer ausgestaltet (§ 9a Abs. 1 WEG).
Dadurch ist rechtlich unzweifelhaft geworden:
Die Eigentümergemeinschaft kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein – einschließlich der Möglichkeit, selbst Wohnungseigentum zu erwerben.
Praktische Auswirkungen der WEMoG-Reform:
Rechtsklarheit: Die frühere Debatte, ob der Erwerb von Wohnungseigentum durch die Gemeinschaft zulässig ist, wurde mit dem WEMoG endgültig beendet. Bereits zuvor hatte das OLG Hamm (Beschluss vom 20.10.2009 – 15 Wx 165/09) klargestellt, dass eine GdWE Wohnungseigentum erwerben kann – durch das WEMoG ist dies nun gesetzlich abgesichert.
Zurechnung von Vermögen: Das Eigentum an der neu erworbenen Einheit steht nicht den einzelnen Miteigentümern zu, sondern ausschließlich der Gemeinschaft selbst. Dies schafft Klarheit im Hinblick auf Haftung, Verwaltung und steuerliche Zuordnung.
Beschlusskompetenz: Der Erwerb einer Wohnungseinheit durch die GdWE setzt einen entsprechenden Beschluss der Eigentümer gemäß § 18 Abs. 1 WEG voraus. Dabei gilt weiterhin, dass der Erwerb nur bei Vorliegen gewichtiger Interessen der Gemeinschaft ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Bloße Zweckmäßigkeit genügt nicht.
Finanzierung und Sonderumlage: Der Erwerb kann über die Instandhaltungsrücklage, Rücklagenumschichtungen oder Sonderumlagen finanziert werden. Die Finanzierung ist stets im Beschlussverfahren transparent zu regeln.
Verwaltungszuständigkeit: Seit dem WEMoG obliegt die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der GdWE dem Verwalter (§ 9b WEG). Das betrifft insbesondere den Abschluss des Kaufvertrags, die Beurkundung sowie die Eintragung ins Grundbuch.
Fazit:
Mit dem WEMoG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass eine Eigentümergemeinschaft selbst Käuferin einer Wohnung oder Teileinheit wird, rechtlich eindeutig und zukunftssicher ausgestaltet. Für Wohnungseigentümer bedeutet das: Wenn gewichtige Gemeinschaftsinteressen vorliegen, kann die GdWE beispielsweise leerstehende Einheiten kaufen, ungenutzte Räume übernehmen oder technische Infrastruktur gemeinsam verwalten – rechtlich gestützt durch die neuen Regelungen.