Ehegatten bleiben auch nach Trennung im mietrechtlichen Sinne Familienmitglieder

Ehegatten gehören auch dann derselben Familie im mietrechtlichen Sinne des § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB an, wenn sie getrennt leben oder rechtswirksam geschieden sind. Die drei- jährige Kündigungssperre des § 577a Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 BGB findet für die Geltendmachung von Eigenbedarf daher keine Anwendung. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 2. September 2020 entschieden.

Der Fall

Die Vermieter eines Einfamilienhauses verlangen vom Mieter nach einer Eigenbedarfskündigung die Räumung und Herausgabe der Mietsache. Das Mietverhältnis besteht bereits seit dem Jahr 2001 und wurde mit dem Voreigentümer geschlossen. Dieser hat die Immobilie im Jahr 2015 an seinen Sohn und dessen Frau veräußert. Beide wurden gemeinsam als

Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Die Eheleute lebten allerdings bereits seit dem Jahr 2013 getrennt. Die Ehe, aus der zwei gemeinsame Kinder (geboren 2009 und 2011) hervorgingen, wurde im Jahr 2016 geschieden. Im Mai 2017 kündigten die Erwerber und Vermieter des Hauses das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Erwerberin und inzwischen Exfrau das vermietete Haus benötigt, um mit ihren beiden minderjährigen Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten darin zu leben.

Durch einen Umzug würde sich der Schulweg der beiden Kinder deutlich verkürzen, da die Kinder dann zu Fuß den Schulweg zurücklegen können. Nach Ansicht des Berufungsgerichts bestehe aus vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen ein Eigenbedarfsinteresse, sodass die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung wirksam sei. Die Räumungsklage hat damit in beiden Vorinstanzen Erfolg. Dagegen wendet sich der Mieter mit seiner Familie mit der Begründung, dass im vorliegenden Fall die dreijährige Sperrfrist des § 577a Absatz 1a Satz 1 Nummer 1, Absatz 1 BGB der Kündigung entgegenstehe.

Die Entscheidung

Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanzen, sodass das Klageabweisung-begehren der beklagten Mieter auch in der Revision keinen Erfolg hat. Den Eigentümern und Vermietern steht gegen den Mieter ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des mit Wohnhaus und Garage bebauten Grundstückes gemäß § 546 Absatz 1, 2 und § 985 BGB zu, weil die formell und materiell wirksame Kündigung das Mietverhältnis beendet hat.

Der BGH schließt sich der Begründung der Berufungsinstanz an und führt aus, dass die dreijährige Kündigungssperre des § 577a Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 BGB schon deshalb keine Anwendung findet, weil Ehegatten auch nach der Scheidung noch „derselben Familie” im Sinne des § 577 Absatz 1a Satz 2 BGB angehören. Laut Bundesgerichtshof kommt es für die Anwendbarkeit des § 577 Absatz 1a Satz 2 BGB auch nicht auf eine Unterscheidung zwischen bloßer Trennung und rechtswirksamer Scheidung der Ehegatten an. Bei der Vorschrift des § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB handelte es sich um eine Privilegierung von Familien- und Haushaltsangehörigen, die der Regelung des § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB nachgebildet ist.

Als Anknüpfungspunkt für die Frage, wie weit der Kreis der Familienangehörigen in § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB zu ziehen ist, hat der BGH bereits in seinem älteren Urteil vom 27. Januar 2010 (Az. VIII ZR 159/09) die Wertungen der Regelungen über das Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen herangezogen. Danach sind die Personen, denen in Gerichtsverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht gewährt wird, Familienangehörige gemäß § 573 Absatz 2 Nummer 2 BGB. Auf das Vorliegen eines tatsächlichen Näheverhältnisses kommt es dabei nicht an. Hierunter fallen Ehegatten also auch dann, wenn sie getrennt leben oder die Scheidung sogar schon vollzogen wurde. Nichts anderes gilt für den Begriff des Familienangehörigen nach § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB.

Ferner reicht es aus, dass der nachvollziehbar begründete Eigenbedarf nur bei einem Miteigentümer der vermietenden Bruchteilgemeinschaft gegeben ist. Denn laut dem Gesetzeswortlaut stellt es keine Voraussetzung dar, dass die Erwerber, die zu derselben Familie gehören, den zur Eigennutzung erworbenen vermieteten Wohnraum auch gemeinsam nutzen möchten. Auf einen gemeinschaftlichen Nutzungswunsch kommt es somit für die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung nicht an.

BGH, Urteil vom 2. September 2020 – VIII ZR 35/19 Vorinstanzen:
LG Arnsberg, Urteil vom 16. Januar 2019 – I-3 S 74/18 AG Soest, Urteil vom 28. Mai 2018 – 15 C 14/18