Balkon – Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum?

Der Balkon gehört für viele Wohnungseigentümer zu den zentralen Wohlfühlbereichen ihrer Immobilie. Doch spätestens, wenn Sanierungsmaßnahmen anstehen oder Streitigkeiten in der Eigentümergemeinschaft aufkommen, stellt sich die Frage: Balkon – Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum? Die Antwort hierauf ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Der rechtliche Status eines Balkons hat weitreichende Folgen, etwa für die Kostentragung, die Instandhaltung und das bauliche Verfügungsrecht.

1. Rechtlicher Hintergrund: Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG)

Grundlage der rechtlichen Bewertung ist das Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Es unterscheidet zwischen Sondereigentum, Gemeinschaftseigentum und dem sogenannten Teileigentum. Sondereigentum ist das alleinige Eigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen. Gemeinschaftseigentum hingegen umfasst alle Teile, die für den Bestand und die Sicherheit des Gebäudes erforderlich sind oder nicht Sondereigentum sein können.

2. Der Balkon im WEG – eine rechtliche Einordnung

Ein Balkon ist in seiner Gesamtheit regelmäßig nicht vollständig dem Sondereigentum zuzurechnen. Zwar ist der Zugang in der Regel nur vom Sondereigentum aus möglich, dennoch bedeutet dies nicht, dass damit automatisch auch Sondereigentum am Balkon entsteht. Ohne eine ausdrückliche Regelung in der Teilungserklärung bleibt der Balkon – insbesondere dessen konstruktive Elemente – Gemeinschaftseigentum.

a) Gemeinschaftseigentum – die tragenden Bauteile

Zwingend dem Gemeinschaftseigentum zugehörig sind sämtliche tragenden Bestandteile des Balkons, also die Balkonplatte, die Brüstung, die Isolierschichten und die Abdichtungsanschlüsse. Diese Bauteile sind für die Statik und den Feuchtigkeitsschutz des gesamten Gebäudes essenziell und somit nach § 5 Abs. 2 WEG als Gemeinschaftseigentum zu qualifizieren. Auch optische Elemente wie die Außenverkleidung, das Geländer und ein fest installierter Sichtschutz zählen dazu, da sie das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage mitprägen.

b) Sondereigentum – der nutzbare Raum

Anders sieht es mit dem tatsächlich begehbaren Bereich des Balkons aus. Dieser kann – sofern in der Teilungserklärung ausdrücklich so geregelt – dem Sondereigentum zugeordnet werden. Dabei handelt es sich um die sogenannte „Sondernutzungsfläche“. Diese umfasst typischerweise den Bodenbelag des Balkons, etwa Holzdielen oder Fliesen, sofern sie nicht integraler Bestandteil der Baukonstruktion sind.

3. Bedeutung der Teilungserklärung

Die Teilungserklärung ist das zentrale Dokument zur Bestimmung der Eigentumsverhältnisse. Sie legt fest, welche Gebäudeteile dem Sondereigentum und welche dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen sind. Wird der Balkon in der Teilungserklärung nicht ausdrücklich als Sondereigentum bezeichnet, gilt er kraft Gesetzes als Gemeinschaftseigentum – auch dann, wenn der Zugang nur über das Sondereigentum möglich ist.

In der Praxis finden sich häufig Formulierungen wie: „Der Wohnung wird das Sondernutzungsrecht an dem Balkon zugewiesen.“ Dies begründet jedoch kein Sondereigentum, sondern lediglich ein ausschließendes Nutzungsrecht, während die bauliche Instandhaltung und Kostentragung beim Gemeinschaftseigentum verbleiben.

4. Instandhaltung und Instandsetzung

Wer trägt die Kosten für Reparaturen oder Modernisierungen am Balkon? Diese Frage hängt unmittelbar von der Zuordnung zu Gemeinschafts- oder Sondereigentum ab.

a) Gemeinschaftliche Bauteile

Sanierungsmaßnahmen an der Balkonplatte, den Isolierschichten oder dem Geländer betreffen das Gemeinschaftseigentum. Die hieraus entstehenden Kosten sind von allen Eigentümern anteilig zu tragen, auch wenn nur ein einzelner Balkon betroffen ist.

b) Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht

Für Schäden an Bodenbelägen, Pflanzkästen oder Markisen, die ein Eigentümer im Rahmen seines Sondernutzungsrechts angebracht hat, haftet dieser grundsätzlich allein. Auch Modernisierungen wie die Verlegung eines neuen Bodenbelags obliegen der Entscheidungsfreiheit des Sondernutzungsberechtigten – allerdings nur, soweit keine Eingriffe in die Bausubstanz oder das äußere Erscheinungsbild erfolgen.

5. Bauliche Veränderungen und Beschlussfassung

Balkone sind häufig Gegenstand von Umbau- und Gestaltungswünschen – sei es die Anbringung eines Sichtschutzes, die Verglasung oder das Anbringen von Sonnenschutzanlagen. Hier gilt: Veränderungen am Gemeinschaftseigentum bedürfen immer eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft.

Selbst wenn ein Balkon als Sondereigentum deklariert wurde, können bauordnungsrechtliche Vorschriften oder Rücksichtnahmepflichten gegenüber den Nachbarn zu beachten sein. Eine Verglasung etwa stellt eine genehmigungspflichtige bauliche Veränderung dar, die nur mit Zustimmung der Gemeinschaft und gegebenenfalls der Baubehörde erfolgen darf.

6. Streitfälle in der Praxis

Immer wieder landen Fälle rund um den Balkon vor Gericht. Typische Streitpunkte sind: Wer trägt die Kosten bei Undichtigkeiten? Darf ein Eigentümer seinen Balkon verglasen? Wer ist für Schäden durch mangelhaften Wasserablauf verantwortlich?

Die Rechtsprechung betont regelmäßig, dass tragende Teile, Isolierungen und Abdichtungen zwingend Gemeinschaftseigentum sind. Gleichzeitig wird jedoch der individuelle Nutzungsanspruch des jeweiligen Eigentümers gewahrt – etwa durch das Sondernutzungsrecht.

7. Beispielhafte Urteile

  • BGH, Urteil vom 02.03.2012 – V ZR 174/11: Die Balkonbodenplatte sowie die Abdichtungsschichten sind zwingend Gemeinschaftseigentum.
  • AG München, Urteil vom 24.07.2014 – 484 C 17502/13 WEG: Die Verglasung eines Balkons stellt eine bauliche Veränderung dar und bedarf der Zustimmung aller Eigentümer.

Diese Urteile zeigen, wie entscheidend eine sorgfältige Prüfung der Teilungserklärung ist.

8. Handlungsempfehlungen für Eigentümer und Verwalter

  1. Teilungserklärung prüfen: Klare Formulierungen vermeiden Streit.
  2. Maßnahmen am Balkon abstimmen: Auch bei Sondernutzungsrechten können gemeinschaftliche Interessen betroffen sein.
  3. Kostentragung klären: Vor Baumaßnahmen sollte die Frage der Kostentragung eindeutig geregelt sein.
  4. Regelmäßig instand halten: Die frühzeitige Instandsetzung vermeidet hohe Folgekosten.

9. Fazit: Balkon – Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum?

Die pauschale Antwort gibt es nicht. In rechtlicher Hinsicht ist der Balkon meist eine Mischform: Während tragende Elemente und Abdichtungen zwingend Gemeinschaftseigentum sind, kann der nutzbare Bereich durch die Teilungserklärung dem Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht zugewiesen werden. Eine eindeutige rechtliche Klärung ist vor allem im Hinblick auf bauliche Veränderungen, Instandhaltungspflichten und die Kostentragung unerlässlich.

FAQ – Balkon: Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum?

  • Gilt mein Balkon automatisch als Sondereigentum, wenn ich ihn nur über meine Wohnung betreten kann?

    Nein. Der Zugang allein begründet kein Sondereigentum. Maßgeblich ist die Teilungserklärung.
  • Wer zahlt die Reparatur der Balkonabdichtung?

    Da die Abdichtung zum Gemeinschaftseigentum gehört, trägt die Gemeinschaft die Kosten.

  • Darf ich meinen Balkon nachträglich verglasen?

    Nur mit Zustimmung der Eigentümergemeinschaft und ggf. der Baubehörde.

  • Was ist ein Sondernutzungsrecht am Balkon?

    Ein exklusives Nutzungsrecht, das kein Eigentum begründet, aber zur alleinigen Nutzung berechtigt.

  • Wer haftet bei einem Unfall durch herabfallende Balkonpflanzen?

    Der jeweilige Nutzer des Balkons haftet für Schäden, die durch seinen unsachgemäßen Gebrauch entstehen.

  • Kann ich den Bodenbelag meines Balkons selbst austauschen?

    Ja, sofern keine Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum erfolgen oder das äußere Erscheinungsbild verändert wird.

  • Ist ein Balkonkraftwerk am Geländer erlaubt?

    Nur mit Zustimmung der Gemeinschaft, da das Geländer zum Gemeinschaftseigentum zählt.

  • Gibt es Unterschiede bei Loggien oder Dachterrassen?

    Ja, aber auch hier gelten dieselben Grundsätze: Tragende und schützende Bauteile gehören zum Gemeinschaftseigentum.

  • Wie oft sollte ein Balkon kontrolliert werden?

    Empfehlenswert ist eine jährliche Sichtprüfung, insbesondere nach dem Winter.

  • Kann die Gemeinschaft mir die Nutzung meines Balkons untersagen?

    Nur in Ausnahmefällen, etwa bei erheblicher Gefährdung oder Verstößen gegen die Hausordnung.


Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung. Im Zweifelsfall sollte rechtlicher Rat eingeholt werden.

Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH

Stand: Mai 2025