Alleingänge bei der Instandsetzung: Der eigenmächtige Verwalter steht besser da als der eigenmächtige Wohnungseigentümer

Im Gegensatz zum Wohnungseigentümer, der eigenmächtig z. B. die Fenster in seiner Wohnung erneuert und von der Gemeinschaft keine Erstattung verlangen kann, sieht es für den WEG-Verwalter, der eigenmächtig Instandsetzungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum vergibt, besser aus. Ihm kann gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) ein Ersatzanspruch zustehen, mit dem er aufrechnen darf. Dies hat der BGH zu einem Fall aus dem Amtsgerichtsbezirk Achim entschieden.

Der Fall
Mit Urteil vom 10. Dezember 2021 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 32/21 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine für die Praxis wichtige Abgrenzung vorgenommen: Der Verwalter kann Regressansprüchen der GdWE Ersatzansprüche entgegenhalten, wenn durch sein eigenmächtiges Handeln das gemeinschaftliche Eigentum aufgewertet oder dem Gemeinschaftsvermögen Aufwendungen erspart wurden. Der eigenmächtige Wohnungseigentümer hingegen schaut in die Röhre (dazu Newsletter vom 12.07.2019). Der hier präsentierte Fall gelangte über das Landgericht Lüneburg, dem zentralen WEG-Berufungsgericht im OLG-Bezirk Celle, zum BGH.
Der beklagte Verwalter war bis zum 31.12.2015 zum Verwalter der klagenden GdWE bestellt. Im Jahr 2014 hatten die Eigentümer beschlossen, das ortsansässige Traditionsunternehmen B. mit der Erneuerung der Eingangstüren und Briefkastenanlagen für rund 40.000,00 EUR zu beauftragen. Unter Missachtung des Beschlusses beauftragte die Beklagte eigenmächtig die Firma M. UG (haftungsbeschränkt), die ein günstigeres Angebot (36.300,083 EUR) abgegeben hatte. Die Arbeiten wurden durchgeführt. Der Beklagte bezahlte die Firma M. aus dem Verwaltungsvermögen der GdWE, diese verweigerte die Genehmigung des Vertrages. Die Firma M. wurde im August 2017 im Handelsregister gelöscht, nachdem das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet worden war.
Die GdWE klagt auf Rückzahlung der an die Firma M. geleisteten Zahlung nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte rechnet mit Gegenansprüchen in gleicher Höhe auf, da die GdWE durch die Sanierung entsprechend bereichert sei. Amtsgericht und Landgericht gaben der Klage statt und wiesen die Einwendungen des Ex-Verwalters zurück. Gegenansprüche stünden ihm nicht zu.

Die Entscheidung
Der BGH beurteilt die Rechtslage anders als die Vorzinstanzen. Richtig sei, dass einem eigenmächtig handelnden Wohnungseigentümer in einer vergleichbaren Situation keine Erstattungsansprüche zustünden. Dieser habe das Selbstorganisationsrecht der Gemeinschaft, speziell durch die Willensbildung in der Versammlung, zu beachten. Ignoriere er das, stünde ihm kein Ersatzanspruch gegen die GdWE zu. Ein Rückgriff auf allgemeine Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (Geschäftsführung ohne Auftrag [GoA], Bereicherungsrecht) sei aufgrund der speziellen Regelungen des WEG gesperrt.
Beim eigenmächtigen Verwalter sei dies anders. Dem Verwalter komme nach dem gesetzlichen Leitbild des Wohnungseigentumsgesetzes aufgrund seiner Organstellung eine Handlungs- und Entscheidungskompetenz für Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu. Dies gelte sowohl nach früherem als auch – erst recht – nach neuem Recht. Vor diesem Hintergrund könne – anders als beim eigenmächtigen Eigentümer – keine Sperrwirkung wohnungseigentumsrechtlicher Spezialvorschriften gegenüber den allgemeinen Vorschriften der GoA und des Bereicherungsrechts angenommen werden. Der eigenmächtige Verwalter könne daher über das eng begrenzte Notgeschäftsführungsrecht hinaus Ersatzansprüche einwenden. Daher sei das Landgericht verpflichtet, dem Einwand des Beklagten nachzugehen, dass die GdWE durch die tatsächlich durchgeführte Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums (Eingangstüren, Briefkastenanlagen) eine Substanzverbesserung erlangt und Aufwendungen (für die Firma B.) erspart habe. Zu Ermittlung der Höhe eines Erstattungsanspruchs der Beklagten müsse das Landgericht den objektiven Wert der erbrachten Leistung feststellen unter Berücksichtigung etwaiger Unvollständigkeiten und Mängel im Gewerk sowie eines Abzugs im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die damit verbunden sein könnten, dass die Beklagte statt der Firma B. die Firma M. beauftragt habe. Zu diesem Zweck hat der BGH die Akte an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Wohnungseigentümer müssen mit Anliegen, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen, die Versammlung anrufen. Nehmen sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eigenmächtig Erhaltungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum vor, deren Beauftragung und Bezahlung Sache der GdWE gewesen wäre, steht ihnen kein Erstattungsanspruch zu. Dies hat der BGH für eigenmächtig ausgetauschte Fenster entschieden. Nur bei Notmaßnahmen kann es sich anders verhalten. Deren Voraussetzungen liegen zumeist nicht vor.

Fazit für die Gemeinschaft
Der BGH stellt fest, dass Schuldnerin möglicher Ersatzansprüche des Verwalters stets die GdWE ist. Soweit sich aus früheren Entscheidungen des BGH etwas anderes ergeben haben sollte, hält er hieran nicht fest (Rn. 19).
Vertragspartner des Verwalters ist die Gemeinschaft. Der Verwaltervertrag ist ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag. Es gehört zum gesetzlichen Leitbild des Verwaltervertrages, dass die Kosten aus der Ausführung der Geschäftsbesorgung nicht von dem Beauftragten (Verwalter) sondern von dem Auftraggeber (GdWE) zu tragen sind, in dessen Interesse die Geschäftsbesorgung erfolgt. Der BGH löst den Sachverhalt nicht über das Schadensersatzrecht, sondern über den Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn gegenüber dem Geschäftsbesorger nach § 667 BGB.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?
Nach § 27 Abs. 1 WEG in der seit dem 1.12.2020 geltenden Fassung sind die gesetzlichen Entscheidungskompetenzen des bestellten Verwalters gegenüber der früheren Gesetzeslage nochmals erweitert worden (Rn. 15). Der BGH erwähnt, dass die Wohnungseigentümer gemäß § 27 Abs. 2 WEG die Möglichkeit haben, den gesetzlichen Aufgabenkreis des Verwalters noch mehr zu erweitern, sofern dies in überschaubaren Grenzen erfolgt und der Beschluss hinreichend bestimmt ist.
Die Motivation von Wohnungseigentümern, durch eine Auftragsvergabe eine bestehende Geschäftsbeziehung zu festigen, um sich dadurch für die Zukunft Vorteile zu sichern, könnte in Zukunft ein Aspekt sein, um die Einholung von Vergleichsangeboten hinfällig werden zu lassen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de