Abgeschlossenheitsbescheinigung: Bedeutung, rechtliche Grundlagen und praktische Relevanz

Einleitung

Die Umwandlung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen ist ein komplexer Prozess, bei dem zahlreiche rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Eine zentrale Rolle in diesem Verfahren spielt die sogenannte Abgeschlossenheitsbescheinigung. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? In welchem rechtlichen Zusammenhang steht sie? Welche Anforderungen sind zu erfüllen? Und welche praktische Bedeutung hat dieses Dokument im Kontext der Teilungserklärung und des Wohnungseigentumsgesetzes?

In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte rund um die Abgeschlossenheitsbescheinigung – von ihrer juristischen Bedeutung über die Anforderungen an ihre Ausstellung bis hin zu den Folgen für Wohnungseigentümergemeinschaften, Notare, Hausverwaltungen und Bauträger.


1. Begriff und rechtliche Einordnung

1.1 Ursprung und gesetzliche Grundlage

Die Abgeschlossenheitsbescheinigung ist ein gesetzlich geregeltes Dokument, das nachweist, dass eine bestimmte Wohnung oder nicht zu Wohnzwecken dienende Einheit innerhalb eines Gebäudes baulich so gestaltet ist, dass sie in sich abgeschlossen ist. Ihre rechtliche Grundlage findet sich in § 7 Absatz 4 in Verbindung mit § 3 Absatz 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Ergänzt wird diese Regelung durch die Verordnung über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz erforderlichen Pläne und Bescheinigungen (kurz: Wohnungseigentumsverordnung – WEV).

Ziel der Vorschrift ist es, durch die Abgeschlossenheitsbescheinigung eine klare Abgrenzung der einzelnen Einheiten im Sinne des Sondereigentums zu ermöglichen. Die Ausstellung dieser Bescheinigung durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde ist Voraussetzung dafür, dass das Grundbuchamt die Eintragung von Sondereigentum vornehmen kann.

1.2 Systematik im Wohnungseigentumsgesetz

Das WEG unterscheidet grundsätzlich zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum. Sondereigentum kann nur an abgeschlossenen Einheiten begründet werden. Damit aus einem Mehrfamilienhaus rechtlich selbstständige Eigentumswohnungen werden können, bedarf es:

  • eines Aufteilungsplans (Bestandteil der Teilungserklärung)

  • der Abgeschlossenheitsbescheinigung

  • einer notariellen Teilungserklärung oder eines Teilungsvertrages

Das Grundbuchamt prüft die Vollständigkeit dieser Unterlagen vor Eintragung der jeweiligen Einheiten ins Grundbuch.


2. Bedeutung in der Praxis

2.1 Voraussetzung für die Begründung von Sondereigentum

Ohne die Abgeschlossenheitsbescheinigung ist es rechtlich nicht möglich, Sondereigentum zu begründen. Zwar kann eine Immobilie real geteilt werden, doch eine solche reale Teilung ersetzt nicht die Begründung von Sondereigentum im Sinne des WEG.

Beispiel: Möchte ein Eigentümer ein Mietshaus in fünf Eigentumswohnungen aufteilen und anschließend verkaufen, ist zwingend eine Abgeschlossenheitsbescheinigung für jede dieser fünf Einheiten erforderlich. Das Grundbuchamt nimmt die Eintragung nur vor, wenn diese Bescheinigung sowie der Aufteilungsplan vorliegen.

2.2 Notwendigkeit bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen

In Großstädten mit angespanntem Wohnungsmarkt ist die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ein hochaktuelles Thema. In diesem Kontext ist die Abgeschlossenheitsbescheinigung Teil des Verwaltungsverfahrens zur Umwandlung und Voraussetzung für die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung.

2.3 Rolle für Notare, Bauträger und Hausverwaltungen

Für Notare ist die Bescheinigung unverzichtbar, um die Teilungserklärung rechtssicher zu gestalten. Bauträger benötigen sie bereits in der Planungsphase, um Kaufverträge mit Erwerbern abschließen zu können. Hausverwaltungen wiederum sind mit der rechtlichen Trennung der Einheiten konfrontiert und stützen sich auf die Bescheinigungen zur Durchsetzung der Rechte der Gemeinschaft und der einzelnen Eigentümer.


3. Voraussetzungen für die Ausstellung

3.1 Bauliche Anforderungen

Die Anforderungen an die bauliche Ausgestaltung ergeben sich aus § 3 Absatz 2 WEG sowie § 7 Absatz 4 WEG. Eine Einheit gilt dann als abgeschlossen, wenn sie:

  • durch Wände und Decken vollständig von anderen Einheiten oder Gemeinschaftsflächen abgetrennt ist,

  • über einen eigenen, abschließbaren Zugang (in der Regel über den Hausflur oder das Treppenhaus) verfügt,

  • sämtliche zur eigenständigen Nutzung erforderlichen Räume enthält (insbesondere bei Wohnungen: Küche oder Kochnische, Bad, Toilette).

Auch sogenannte Teileigentumseinheiten (z. B. Büros, Läden oder Kellerräume) können durch eine Abgeschlossenheitsbescheinigung gesondert ausgewiesen werden, sofern sie baulich separiert sind.

3.2 Erforderliche Unterlagen

Zur Beantragung bei der zuständigen Behörde sind in der Regel folgende Unterlagen vorzulegen:

  • Lageplan

  • Bauzeichnungen im Maßstab 1:100

  • Aufteilungsplan mit Nummerierung der Einheiten

  • Antrag auf Ausstellung der Abgeschlossenheitsbescheinigung

Die Unterlagen müssen von einer berechtigten Person – z. B. einem Architekten – erstellt oder geprüft worden sein.


4. Der Aufteilungsplan und sein Zusammenspiel mit der Bescheinigung

Der Aufteilungsplan ist eine zeichnerische Darstellung aller Räume und Flächen, die Bestandteil des Gebäudes sind. Er unterscheidet zwischen:

Die Abgeschlossenheitsbescheinigung bestätigt, dass die im Aufteilungsplan dargestellten Einheiten den gesetzlichen Anforderungen an die bauliche Trennung genügen. Damit bildet der Aufteilungsplan die visuelle Grundlage, während die Bescheinigung die juristische Voraussetzung zur Begründung von Sondereigentum schafft.


5. Rechtliche und verwaltungsrechtliche Besonderheiten

5.1 Zuständigkeiten

Zuständig für die Ausstellung der Abgeschlossenheitsbescheinigung sind die Bauaufsichtsbehörden der jeweiligen Bundesländer, oft vertreten durch die unteren Bauaufsichtsbehörden (z. B. Bauämter in Landkreisen und Städten). In einigen Bundesländern kann der Antrag auch digital gestellt werden.

5.2 Kein Ermessensspielraum der Behörde

Die Behörde prüft ausschließlich, ob die baulichen Voraussetzungen objektiv erfüllt sind. Sie hat keinen Ermessensspielraum. Liegen alle formellen und materiellen Voraussetzungen vor, muss die Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt werden. Eine Ablehnung ist nur möglich, wenn die Einheit nicht abgeschlossen ist oder die Unterlagen unvollständig sind.

5.3 Rechtsmittel

Wird der Antrag abgelehnt, steht dem Antragsteller der Verwaltungsrechtsweg offen. In der Praxis ist jedoch bei klarer baulicher Trennung eine Ablehnung selten.


6. Abgrenzung zu anderen Begriffen

6.1 Teilungserklärung

Die Teilungserklärung ist das zentrale Dokument, mit dem ein Grundstück nach WEG in Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum aufgeteilt wird. Sie enthält unter anderem:

  • Aufteilungsplan

  • Gemeinschaftsordnung

  • Lage und Größe der einzelnen Einheiten

Die Abgeschlossenheitsbescheinigung ist notwendiger Bestandteil der Teilungserklärung, jedoch ein eigenständiges Dokument mit rein technischer Aussagekraft.

6.2 Baugenehmigung

Während eine Baugenehmigung die Errichtung oder Veränderung eines Gebäudes erlaubt, bestätigt die Abgeschlossenheitsbescheinigung lediglich, dass bereits vorhandene oder geplante Einheiten den Anforderungen an bauliche Trennung genügen. Beide Verfahren laufen unabhängig voneinander.


7. Praktische Fallbeispiele

7.1 Beispiel: Aufteilung eines Altbaus

Ein Eigentümer besitzt ein Mehrfamilienhaus mit vier Mietwohnungen und möchte diese in Eigentumswohnungen umwandeln. Für jede Wohnung erstellt ein Architekt einen Grundriss. Die Bauaufsichtsbehörde prüft, ob die Wohnungen getrennte Eingänge, abgeschlossene Sanitärbereiche und keine offenen Verbindungen zueinander haben. Nach positiver Prüfung stellt sie für jede Einheit eine Abgeschlossenheitsbescheinigung aus.

7.2 Beispiel: Teileigentum für Büroflächen

Ein Investor plant ein Wohn- und Geschäftshaus. Die gewerblich genutzten Flächen im Erdgeschoss sollen als Teileigentum verkauft werden. Damit dies möglich ist, muss auch für diese Einheiten eine Abgeschlossenheitsbescheinigung vorliegen, aus der die bauliche Abgrenzung hervorgeht.


8. Bedeutung für die Hausverwaltung

8.1 Nachweis für die klare Eigentumszuordnung

Für Hausverwaltungen ist die Abgeschlossenheitsbescheinigung ein zentrales Dokument zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Nur mit ihr kann zweifelsfrei bestimmt werden, welche Räume zu welcher Einheit gehören. Das ist insbesondere bei Streitigkeiten zwischen Eigentümern, bei Umbauten oder bei der Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum entscheidend.

8.2 Grundlage für die ordnungsgemäße Verwaltung

Fehlt die Bescheinigung oder wurde das Gebäude nicht korrekt aufgeteilt, können sich erhebliche Probleme in der Verwaltung ergeben – etwa bei der Ermittlung von Stimmrechten, bei der Instandhaltungsverantwortung oder bei der Durchsetzung der Hausordnung.


9. Zusammenfassung und Fazit

Die Abgeschlossenheitsbescheinigung ist ein zentrales Element des Wohnungseigentumsrechts. Sie ermöglicht die rechtssichere Begründung von Sondereigentum und bildet die technische Grundlage der Teilungserklärung. Für Eigentümer, Hausverwaltungen, Notare und Bauträger stellt sie ein unerlässliches Instrument dar, um Eigentumsverhältnisse transparent und eindeutig zu regeln.

Ohne diese Bescheinigung ist keine Aufteilung eines Gebäudes in rechtlich selbstständige Eigentumseinheiten möglich. Sie dient damit nicht nur als behördliche Bestätigung einer baulichen Tatsache, sondern auch als Schutzinstrument für Erwerber und Verwaltungseinheiten.


Hinweis für Eigentümer und Interessenten: Wer plant, ein Gebäude aufzuteilen oder eine Eigentumswohnung zu erwerben, sollte frühzeitig klären, ob eine gültige Abgeschlossenheitsbescheinigung vorliegt oder beantragt werden muss. Hausverwaltungen stehen bei der Klärung dieser Fragen mit ihrem Fachwissen gerne zur Seite.

Verfasst von Harald Reiner, Hausverwaltung Reiner GmbH

Stand: Juni 2025